— 216 — Länger als ein Jahrtausend blieb das ptolemäische System bestehen. Freilich ließ es manche Rätsel ungelöst. Vorzüglich vermochte man die Bewegung der Planeten danach nur auf sehr künstliche, gezwungene Weise zu erklären. Der Mars zum Beispiele läuft keineswegs in steter Weise von Westen nach Gsten unter den Gestirnen fort. Nachdem er einige Zeit diese Bewegung gehabt hat, wird sie langsamer; dann bleibt der planet stehen und schlägt nun in seinem Laufe zwischen den Sternen die entgegengesetzte Richtung von Gsten nach Westen ein. Abermals nach einiger Zeit bleibt er stehen und beginnt nun von neuem seinen Lauf nach Gsten. So beständig hin- und herrückend, kommt er doch in bestimmter Zeit einmal von Westen gegen Gsten in dem Gürtel der Fixsterne ganz herum. Diese rätselhafte, zickzackförmige Bewegung war nur durch die verwickeltsten Aufstellungen zu erklären, sodaß Alphons X. von Tastilien seinen Astronomen, welche ihm die Sache deutlich machen wollten, zweifelnd die scherzende Antwort gab: „Wäre ich bei Erschaffung der Welt um Rat gefragt worden, ich hätte die Sache einfacher und besser eingerichtet." 3. Nach dem Anfange der neuen Zeit, ein halbes Jahrhundert nach der Entdeckung Amerikas, ein Viertelsahrhundert nach dem Beginne der Reformation, führte ein Mann in stiller Zurückgezogenheit jene Unter¬ suchungen aus, die eine völlige Umwälzung in der Ansicht vom Welt¬ gebäude zur Folge hatten. Nikolaus Aopernikus, geboren ^73 zuThorn an der Weichsel, studierte in Arakau Mathematik und Astronomie, lehrte und lernte sechs Jahre lang in den größern Städten Italiens und baute dann in der sorgenfreien Stellung eines Domherrn von Frauenburg in einer langen Reihe von Jahren sein astronomisches System auf, welches, gegründet auf die Annahme der Bewegung der Erde, mit allen bis dahin gültigen Ansichten in Widerspruch stand. Auf dem Totenbette im Jahre J5^3 erhielt Aopernikus das erste Exemplar seines in den Nürnberger Werk¬ stätten gedruckten, lateinisch abgefaßten Werkes: „Von der Umwälzung der himmlischen Aörper." Heutigestags, wo ein jeder schon in der Aindheit lernt, daß die Erde sich um sich selbst und um die Sonne bewegt, und wo einem jeden, der tiefer in die Sache eindringt, dies als Thatsache unzweifelhaft feststeht, — heutigestags ist es sehr schwer, sich eine richtige Vorstellung von der Aühnheit und Geistesschärfe des Mannes zu machen, welcher zuerst diesen wahrhaft weltbewegenden Gedanken faßte und dadurch die Ansicht der Menschen vom Weltgebäude völlig veränderte. — „Durch keine andere Anordnung," sagte der große Mann, „habe ich eine so bewunderungs¬ würdige Gleichmäßigkeit des Weltalls, eine so harmonische Verbindung der Bahnen der Himmelskörper finden können als dadurch, daß ich die Weltleuchte, die Sonne, in die Mitte des schönen Naturtempels wie