Bon Goedeke. NolShorirs Märcht-n und Sagen. Hannover 1854. S. 207. In einem festlichen Tage kamen die Thiere zusammen, um ihre Sünden zu beichten. Zn dem Wolfe und dem Fuchse, die den näch¬ sten Hügel erstiegen, gesellte sich der arglose Esel. Da sprach der Wolf, der den obersten Platz eingenommen hatte: Wir sollen unsere Sünden bekennen; so will ich zuerst sagen, was ich gethan habe.' llnd indem er sich weinend niederwarf, sagte er: 'Ich bin ein Dieb, ein Räuber, ein frecher Wegelagerer; ich liege immer aus der Lauer und lebe vom Beutemachen. Meinen Hunger vermag kein Thier zu sättigen. Ich verschlinge zarte Ferkel, erwürge Schweine und mache Pferde zur Beute; ich zerreiße Ochsen und Kühe. Ja, mit Thränen gestehe ich es, ich stelle den unschuldigen Eselein nach, deren Fleisch meine liebste Speise ist. Am Freitage habe ich ganz allein dem da die Mutter verzehrt, am andern Tage den Vater, und kaum waren acht Tage vorüber, so gieng auch sein Brüderlein durch meine Kehle. Aber von jetzt an werde ich kein Eselfleisch mehr essen. Darum habe Erbarmen mit mir. Ich bin jedoch ein großer Sünder. Wer kann die Ziegen, Kälber, Böcke und Schafe zählen, die ich verspeist habe! Ich breche in die Hürden ein, erwürge, so viel ich kann, und nehme mit, so viel ich vermag. Ich lauere den Menschen auf und verschone weder Männer noch Frauen, weder Knaben noch Mädchen. Einst¬ mals fand ich ans der Weide eine fette Sau mit zehn zarten Ferk- lein. Die Mutter konnte ich nicht verschonen. Als ich sic erwürgt hatte, schrien die Kleinen so laut um sie, daß sie mich dauerten, und um sie nicht im langen Grame vergehen zu lassen, ließ ich sie einen kurzen Tod in meinem Bauche sterben. Zu dieser und zu andern Thaten trieb mich meistens der Hunger. Aber ich weiß es, daß mich das nicht entschuldigt, und ich bitte dich um gnädige Strafe.' Der Fuchs sprach, nachdem er nachgedacht hatte: 'Höre auf zu weinen. Wir sind alle nicht ohne Fehler, und keiner kann sagen, daß er ohne alle Schuld sei. Wenn du auch ein Räuber bist, wie du sagst, so leidest du doch immer dabei tausendfältige Gefahren des bittern Todes. Wenn du einmal, um deinen Hunger zu stillen, den jammernden Lämmern ein Schaf entführst, oder ein Schwein oder ein Zicklein mitnimmst, so ist das kein Verbrechen, da die Schweine die Saaten umwühlen und die Ziegen die jungen Zweige abnagen. Du thust also ein gutes Werk mit dem, was du dir als Verbrechen 8*