5» 308 Daher der Rebcnblüte Duft, Der Glühwurm webt die lichte Bahn Im Dunkel an des Turms Gemäuer, Und droben glühn mit tiefem Feuer Die Sterne räthselhaft mich an. Dies ist die Stunde, da das Lied Der Sehnsucht durch die i'üfte zieht, Die tief in Wald, Gestein und Flur Der Kern ist aller Creatur, Der Sehnsucht, die durch Felsen dicht Den Quell emporzwingt an das Licht, Die nach dem Himmel aus dem Wald Mit tausend grünen Armen greift, Aus hartem Stein als Echo hallt, Im irren Wind die Welt umschweift, Die aus der Nachtigallen Kehle Im Silberton hinperlend quillt Und aus der Blumen Auge mild Dich anschaut mit der stummen Seele. O Sehnsucht, die du, wie ein Kind In Schlaf gelullt durch süße Lieder, Doch stets aufs neu erwachst und wieder Zu weinen anhebst leis und lind, Wie nimmst du heut niir Herz und Sinn Mit deiner Klage ganz dahin! Mir ist's, ich müßte Flügel heben Und körperlos ins Weite schweben; Verschenken müßt' ich wonniglich Mein bestes Sein, mein tiefstes Ich; Den ganzen Schatz der vollen Brust, Andacht und Liebe, Schmerz und Lust, Der innersten Gedanken Hort Ich nlüßt' ihn in ein einzig Wort Als wie in güldnen Kelch beschließen, Um ihn verschwendrisch hinzugießen. Umsonst! Kein Wort, sei'S noch so groß, Macht dich des tiefen Dranges los, Den heißen Durst der Seele stillt Kein Brunnen, der auf Erden quillt. Wohl wähnt' ich einst in goldncn. Stunden In meines Herzens Maienzeit, Des Räthsels Lösung sei gefunden, Und Minne heile jedes Leid; Doch was so hoch mir war, so lieb, Mir ward es — und die Sehnsucht blieb. Darum zur Ruh, mein wild Gemüth k Nicht alles wird hier Frucht, was blüht; Du trägst, der Erde stummer Gast, In dir, was nur der Himmel faßt. Was für und für so ruhelos Dich dunkel treibt auf deinen Wegen, Es ist das erste Flügelregen Des Falters in der Puppe Schoß; Dir selbst bewußt kaum, ist dein Leid Ein Heimweh nach der Ewigkeit. 161. Traum des Galilei. Von Engel. Der Philosoph für die Welt. Berlin 1801. 2. Bde. Galilei, der sich um die Wissenschaften so unsterblich ver¬ dient gemacht hatte, lebte jetzt in einem ruhigen und ruhmvollen Alter zu Arcetri im Florentinischen. Er war bereits seines edelsten Sinnes beraubt, aber er freute sich dennoch des Frühlings: theils um der wiederkehrenden Nachtigal und der duftenden Blüten willen, theils um der lebhaften Erinnerung willen, die er an ehemalige Freuden hatte. Einst, in seinem letzten Frühling, ließ er sich von Viviani, seinem jüngsten und dankbarsten Schüler, in das Feld um Arcetri führen. Er merkte, daß er sich für seine Kräfte zu weit entfernte, und bat daher im Scherz seinen Führer, ihn nicht über das Gebiet von Florenz zu bringen. Du weißt,' sagte er, <was ich dem heiligen Gerichts habe geloben müssen.' — Viviani setzte ihn zum Ausruhen 1) der Inquisition, welcher er verfallen war, weil er nach Copernicus gelehrt hatte, die Erde drehe sich um die Sonne.