812 ganze Gebiet der Natnrlehre ein ungeahntes Licht warf. Wiederum war der Versuch ein sehr einfacher. Mayer schüttelte das in einem Fläschchen verschlossene Wasser, das vorher eine Wärme von 12 Grad zeigte, und fand dann bei abermaliger Messung, daß es nun bis auf 13 Grad erwärmt war. Aus dieser sehr einfachen Voraussetzung aber zog der Scharfsinn des genialen Forschers eine der wichtigsten Folgerungen, die je erdacht sind. Zeigt das Wasser vor dem Schlitteln einen geringeren Wärmegrad, als nach demselben, so kann es nur die gehemmte Bewegung sein, die nun als Wärme zur Erscheinung kommt, so überlegte Mayer. Daraus aber folgt, daß überall, wo man Bewegung hemmt, Wärme erzeugt wird, und umgekehrt, daß man durch die Wärme eine ihrer Menge entspre¬ chende Bewegung oder Arbeit verrichten lassen kann. Durch Be¬ obachtungen und Rechnungen fand Mayer ferner, daß die Wärme, welche erfordert wird, um 50 kg. reines Wasser um 1 Grad des Fahrenheit- schen Thermometers zu erwärmen, hinreichen würde, um einen erwachsenen Menschen von 75 kg. Gewicht 237 m. hoch zu heben — eine Annahme, die durch spätere Forscher vollständig bestätigt worden ist. Jetzt finden wir den Schliissel zu der rätselhaften Erscheinung des durch Hämmern ins Glühen versetzten Eisenstabes. Die wuchtige Bewegung jedes Schlages erleidet mit dem Auffallen des Hammers eine Hemmung. Die aufgewendete Kraft scheint verloren, aber sie ist es nicht, da ja über¬ haupt nichts verloren geht im Haushalte der Natur. Sie tritt uns nur unter einer andern Erscheinungsform entgegen, indem sie sich in Wärme umsetzt. Dies aber geschieht nach den Vorstellungen der neueren Theorie in der Art, daß die Atome des Eisenstabes durch die Schläge in wellende Schwingungen versetzt werden, und wie diese Schwingungen unter gewissenVer- hältnissen als Licht in unser Auge strahlen, so werden sie jetzt unserem Gefühle als Wärme wahrnehmbar. Dies sind die Grundzüge der neueren Wärmelehre. Es soll damit keineswegs behauptet sein, daß dieser jüngste und am schwierigsten zugängliche Zweig der Naturlehre so allseitig und gründlich durchforscht wäre, daß die neue Theorie bereits mit der mathematischen Schärfe darzustellen sei wie die Lehre vom Licht; im Gegenteil, noch vieles bleibt zu thun, und die experimentale Begründung der Wärmelehre ist ge¬ rade jetzt die Ausgabe einer Anzahl der tüchtigsten Naturforscher. Dennoch gewährt sie uns auch in ihrer Lückenhaftigkeit schon manche interessante Einsicht in bisher rätselhafte Erscheinungen. Jetzt ahnen wir, warum eine glühende Kugel an eine andere Wärme abgiebt, ohne mehr von der ihrigen einzubüßen, als sie durch die allgemeine Ausstrahlung so wie so verlieren würde. Wird doch durch die Berührung der beiden Kugeln die kalte in die¬ selben Schwingungen versetzt, in denen die glühende sich bereits befindet — und die Folge muß Wärmecntwickelung sein. Jetzt kommt es uns nicht mehr befremdend vor, daß beim Berühren einer glühenden Kugel mit dem Finger die Oberhaut zerstört wird, da ja die in der Haut hervorgerufenen Schwingungen der einzelnen Atome so schnell waren, daß dadurch der Zu» sammenhang derselben zerrissen wurde und also notwendig eine Zerstörung eintreten mußte — und was ähnliche Erscheinungen mehr sind.