99 Wenn erst der letzte aller Heiden als Bruder an das Herz uns fällt, wenn wir die letzte Garbe schneiden, dann ist vollbracht das Werk der Welt. 7. Noch eine Ruhe soll dir werden, o Volk des Herrn! Sie ist nicht fern; denn schon erglänzt auf weiter Erden das Kreuz als ewger Morgenstern. Getrost, getrost! bald ist verronnen der Weltenwoche Sturmeslauf, — im Osten graut mit Hellern Sonnen der Weltensabbat schon herauf. Bonn i838. 30. Das Handwerk zur Zeit der Merowinger1). Gustav Freistag. Bilder aus der deutschen Vergangenheit. I. Band. (Aus dem Mittelalter.) 8. Auflage. Leipzig. 1874. S. 278. 1. Unendlich viel war während der Völkerwanderung verwüstet worden, aber in den Ländern des Mittelmeeres hatten vier Jahrhunderte des kaiserlichen Roms so reichlich schöne Gebilde und kluge Lehre, so viel Erfindung und Lebens¬ genuß abgelagert, daß die Germanenstämme immer noch sehr vieles fanden, was unmerklich in ihr Leben überging, von ihnen bis zu uns, und was eine Stetigkeit der Kultur erhielt, die wir uns wohl geringer denken, als recht ist. — Denn der Schmied hämmerte, und der Zimmermann hieb die Späne von den Balken während der ganzen Wanderzeit, der Steinschneider schnitt dem Frankenkönig seinen Siegelring wie einst dem römischen Cäsar, und der Buchhändler in Rom, Pavia oder Paris verkaufte an den langobardischen oder fränkischen Bischof die Handschriften des Vergilius2) oder des heiligen Augustinus3). Wer mit Büchern handelte, war entweder ein Buchhändler, der Altes und Neues abschreiben ließ, oder ein Antiquar, der nur alte Schriftsteller abschrieb und verkaufte. 3) Die Merowinger, ein fränkisches Königsgeschlecht in Gallien, welches das Frankenreich 481—751 beherrschte. — 2) Ver¬ gilius, ein römischer Dichter, geb. 70 v. Chr., gest. 18 n. Chr. Am berühmtesten sein Lehrgedicht ,.über den Landbau“ und die „Äneis.“ — 3) Aurelius Augustinus, der hervorragendste Kirchenvater des Abendlandes, geb 353 zu Tagaste in Numidien, war von 383 in Rom, von 384 in Mailand Lehrer der Beredsamkeit, erhielt 387 die Taufe, kehrte 388 nach seiner Vaterstadt zurück, wurde 391 Presbyter der Gemeinde Hippo Regius, 395 Mitbischof des Bischofs von Hippo und starb 430 zu Hippo während der Belagerung dieser Stadt durch die Vandalen. 7*