II. Epische Dichtungen. 1. Fabeln, Parabeln, Legenden, Sagen und Mären in gebundener Rede. 37. A. Ellengröße. Abr. Emanuel Fröhlich. Fabeln. Frauenfeld 1853. S. 23. I. Vorbereitung und Vortrag. Wie nach Hesekiel 37 der Odem des Herrn über ein Feld voll verdorrter Gebeine fuhr und sie belebte, so hat der Schweizer Emanuel Fröhlich einen schier vertrockneten Zweig der poetischen Literatur neu belebt: die Fabel! Er macht nicht, wie die früheren Fabeldichter, die Tiere zu verkappten Professoren der Moral, er¬ findet nicht die Fabel der Moral zuliebe, reckt und streckt die Tiere nicht, um ihnen eine Moral an- oder abzuquälen, sondern malt mit tiefem Ver¬ ständnis und in anziehender Sprache ein Stück, einen einzelnen Zug wirk¬ lichen Naturlebens — als treuen Spiegel des Menschenlebens. Er be¬ schränkt sich dabei nicht aus Tiere, sondern führt uns in die Pflanzen- und Mineralwelt, ja in das gesamte Universum. Er findet dort dieselben Gedanken walten — freilich unbewußt —, die das Menschenleben bewußt regieren. Er zeigt in dem unbewußten Leben und Streben in der Natur einen wunderbaren Parallelismus zu dem bewußten Leben und Streben der Menschen. So ergibt sich die Lehre von selbst, als ob man in einem Spiegel sich selbst sähe. Meist ist sie indessen durch eine sehr treffende kurze Überschrift angedeutet. Aber auch ohne Lehre, ohne Anwendung aus das Menschenleben würden die Fröhlichschen Fabeln knapp einge¬ rahmte, kostbare Bilder aus dem reichen Leben der Natur sein. „Ellengröße" führt uns auf die Landstraße, an deren beiden Seiten stolze Pyramidenpappeln wie Riesengardisten Spalier bilden. Da¬ zwischen hat man an Stelle abgängiger Pappeln bescheidene Pflaumen¬ bäume eingepflanzt. Mehr und mehr hat man sich nämlich davon über¬ zeugt, daß die stolzen Pappeln den angrenzenden Feldern schaden, die be¬ scheidenen Pslaumenbäume aber den Gemeindesäckel füllen helfen. Die Pappel spricht zum Bäumchen: nicht eine leere Stange!'" „Was machst du dich so breit „Was!" ruft die Pappel stolz, mit den geringen Pfläumchen?" „ich bin zwar eine Stange, Es sagt: ,„Jch bin erfreut, doch eine lange, lange!" daß ich nicht bloß ein Holz,