78 II. Epische Dichtungen. II. Vertiefung. 1. Ort und Zeit. Die Fabel führt uns auf eine Landstraße im Herbst. Zu beiden Seiten des Weges stehen abwechselnd in gleichen Entfernungen hohe Pappeln und niedrige Pflaumenbäume. Die Pappeln gleichen riesigen Stangen, weil sie gerade in die Höhe steigen und die senkrechten Äste sich an den Stamm schmiegen. Die jungen Pflau¬ menbäume sind niedrig, haben breite Kronen und sind mit blauen Früchten beladen. 2. Gedankengang. Die hohe Pappel spöttelt hochmütig über das niedrige Bäumchen und seine geringen Früchte. Das Bäumchen freut sich seiner Nützlichkeit und vergleicht die Pappel mit einer leeren Stange. Da brüstet sich diese wenigstens mit ihrer Länge. Grundgedanke: Der wahre Wert liegt nicht in äußeren, sondern in innern Vorzügen; er läßt sich nicht mit der Elle messen. Soviel ich nütze, so viel bin ich wert! 3. Eigentümliches. Die knappe Sprache, die treffende Verglei¬ chung der Pappel mit einer langen Stange, der Kontrast zwischen der hohen, aber leeren Pappel und dem niedrigen, aber früchtereichen Pflau¬ menbaum, der hämische Stolz der Pappel und der heitere Witz des Bäum¬ chens, das entrüstete „Was!" und das klägliche „aber eine lange, lange!" (endlos lange) der Pappel sind vorzüglich gelungen. III. Verwertung. 1. Nutzanwendung für Herz und Leben. Prahle nicht mit deinen Vorzügen, am wenigsten mit äußeren oder ein¬ gebildeten ! Trachte nach inneren Vorzügen und nütze sie im Dienste deiner Mitmenschen! Geistesgröße und Herzensgüte mißt man nicht mit der Elle! Je weniger wahren Wert der Mensch hat, desto mehr prahlt er mit eingebildetem! 2. Verwandtes. Die Kornähren Bd. I, Nr. 25. — Löwe und Maus Bd. I., Nr. 234. — 1. Samuel 16,6.7: Samuel sollte in Bethlehem von Jsais sieben Söhnen einen zum König salben. Er sah den stattlichen ältesten Sohn Eliab an und gedachte, ob der vor dem Herrn sei sein Ge¬ salbter. Aber der Herr sprach zu Samuel: Siehe nicht an seine Ge¬ stalt, noch seine große Person; ich habe ihn verworfen. Denn es gehet nicht, wie ein Mensch siehet; ein Mensch siehet, was vor Augen ist, aber der Herr siehet das Herz an. — Es ist nicht alles Gold, was.glänzt. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Eigenlob stinkt, fremdes Lob klingt. 3. Rede-undStilübungen. a) Womit brüsten sich die Menschen gern? (Mit schönen Kleidern, Schmucksachen, wohlriechenden Dingen, vornehmen Verwandten, hohen Ahnen, schönen Häusern, Geld und Gut, Ehre und Ruhm, hohen Ämtern, klugen Kindern usw.) — b) Worin soll der innere Wert eines Menschen bestehen? (Gal. 5, 22: Die Frucht aber des Geistes ist Liebe —.) — c) Suche aus Bibel, Lesebuch, Ge¬ schichte usw. ähnliche Wettkämpfe wie in der Fabel! — d) Vergleiche von Wilhelm Müller „Ahnenwert"! „Ahnen sind für den nur Nullen, der als Null zu ihnen tritt. Steh als Zahl an ihrer Spitze, und die Nullen zählen mit."