642 III. Lyrische Gedichte. Str. 2. Solange Deutschland nicht einig war, wurde es häufig ge¬ nug von dem Erbfeinde heimgesucht. Wir erinnern an den Dreißigjährigen Krieg, an die Kriege zu Ludwigs XIV. und zu Napoleons I. Zeiten. Jetzt aber können wir jeder Gefahr widerstehen. Außer dem Heere und Gottes Beistand verdanken wir dieses dem siegreichen Kaiser Wilhelm I. Der preußische Adler spannt seine schirmenden Flügel vom Ordens¬ lande an der Weichsel bis an der Mosel Strand, also vom äußersten Osten bis zum entferntesten Westen und, da Süd und Nord einig sind, auch von der Nordsee bis zu den Alpen. Den Wunsch des Dichters (Str. 3), daß das Deutsche Reich blühen möge, teilt jeder echte Deutsche. Es soll wachsen wie die Eiche, markig und hehr: „markig" deutet auf die innere Kraft; „hehr", d. h. von einer das Gemüt mit Ehrfurcht und heiligem Schauer erfüllenden Hoheit nach außen und nach innen. — „Friede beglücke dich, Freiheit erquicke dich!" Bei diesen Versen erinnern wir uns an das Wort des Kaisers Wilhelm I., welches er in seiner Kaiser-Proklamation am 18. Januar 1871 dem deutschen Volke zurief: „Uns aber und unsern Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des deutschen Reiches zu sein, nicht in kriegerischen Eroberungen, sondern in den Werken des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." — Solange Gott den deutschen Kaisern diese Gnade verleiht, so lange dürfen wir sicher sein, daß das Reich „v o m F e l s z u m M e e r" mit Herr¬ lichkeit geschmückt sein wird. II. Gliederung. Str. 1. Der Dichter feiert die Streiter des Vater¬ landes, welche das neue Reich bauen halfen. Str. 2 wendet sich an den Kaiser als Schirmherrn des Reiches. Str. 3 spricht den Wunsch aus, daß das Deutsche Reich immer mehr wachsen und gedeihen möge. III. Vergleiche: ZZ Deutscher Siegessang. H. Lingg. Lieder zu Schutz und Trutz. Berlin 1875. S. 200. 1. Hoch wehen die Fahnen von blutigen Bahnen, vom Waffengang zum Festglockenklang. Den Sieg errang das Schwert der Germanen. Auf! frohen Empfang tön' Siegesgesang! 2. Mit prahlendem Mut rief der Feind uns heraus, zu beschirmen den Herd und das eigene Haus. Ihn lüftete längst nach dem reichen Gebiet, nach dem lachenden Gau, den der Rhein durchzieht, und er rückte heran mit ver¬ heerender Macht, mit dem Todesgeschoß, mit den Donnern der Schlacht, und zu Allah, wie einst an Gestaden des Meers, erscholl das Geheul des bar¬ barischen Heers voll tigerhaft grausender Mordlust. 3. Doch es hielt nicht stand dem besonnenen Mut, der die Unsern durch¬ drang, der begeisterten Glut, und sie rückten zum Sturm und zum Angriff vor über Brücken und Wall und durch Gräben und Tor, durch der Kugeln Gesaus, durch der Pferde Gestampf, mit dem freudigen Stolz, daß es gelte den Kampf um die heiligsten Güter der Menschheit. 4. Alle, die im Kampf geblieben, ehr' des Angedenkens Wort; alle wollen wir sie lieben, und so leben sie uns fort, die fürs Vaterland ihr Leben todesmutig hingegeben.