Sonntags wallet die Gemeine Beim Geläute da heraus; Zwischen Kreuz und Leichensteine Zieht die Schar ins Gotteshaus. Wird sie nichts um Gräber lenkend, Schon zu tieferm Ernst gestimmt, Daß die Seel', ihr End' bedenkend, Besser Gottes Wort vernimmt? Will sein Kind zur Taufe tragen Hier ein Vater wohlgemuth, Sieht er erst die Hügel ragen, Wo so manches Kindlein ruht. Flüstert nicht ein Hauch des Windes Aus der Kleinen Gruft herauf: 'Pflege doch des zarten Kindes, Zieh es früh zum Himmel auf!'? Wenn beim hellen Festgeläute Naht die muntre Hochzeitsschar, Wandeln die geschmückten Bräute Zwischen Grüften zum Altar. Bor der Jungfrau mit der Krone Bebt am Kreuz der Flitterkranz, Mahnt zum Ernst mit leisem Tone Mitten durch Musik und Tanz. Aber wankt in tiefen Schmerzen Eine Schar znm Grabesrand, Dann für die gebrochnen Herzen Ist der Trost auch nah zur Hand. Gleichwie sanfter ja die Kinder Weinen in der Mutter Schoß, So vor Gottes Haus gelinder Ringen sich die Thränen los. Sanfter selbst die Todten ruhen In der Kirche Hut und Acht, Gleichwie Kinder in den Truhen, Wo die treue Mutter wacht. — Dörfleiu! deine Kirch' umkränzet Grün des Friedhofs ernst Geheg, Und der Todtenacker grenzet Hart an deinen Lebensweg. Wenn in deine Fest' und Freuden Oft ein Sterbgedanke bricht. So verklärt sich auch dein Leiden In de« ew'gen Glaubens Licht. 121. Die Linde am Friedhof. Von Jäger- Ule und Müller: Die Natur 9. Jahrgang. Halle, März 1860. Nr. 13. (Gekürzt.) Schmücke dich wieder mit saftigem Grün, du ewig junge, schöne Linde des Friedhofs; denn die Zeit der Auferstehung ist wieder da! Frühling ist gekommen mit milder Luft, mit Blumen und Vogelgesang. Äffne deine Knospen und breite deine weichen Blättchen aus; strecke die zarten Triebe in den warmen Sommer hinein, daß sie sich wieder mit duftigen Blüten schmücken! Be¬ schatte wieder das alte bemooste Kirchendach und verhülle den kleinen Turm mehr und mehr: denn du bist größer und herrlicher, alö die gebrechlichen Werke der Menschen. Weit hinaus ragst du von deinem Hügel in das Land, hoch über alle Bäume der Umgegend und über alle Häuser hinweg, und kein Kirchturm reicht zu dir hinaus weit und breit, keiner wird so weit gesehen, als du. An deiner hohen Kuppel erkennt der Wandrer den Ort, wo das Dorf liegt, und wenn er durch das hohe Korn geht und nichts sieht als ein Meer von wogenden Halmen, da erscheinst du allein im weiten Umkreise, und im heißen Brande des Mittags blickt er mit Sehnsucht auf dein kühles Laub¬ dach. Der Schnitter auf dem Felde und die Heuerin auf der