257 — * m Leinwand, preußischen Bernstein, russisches Pelzwerk einzutauschen. Von hier gingen dann die Erzeugnisse fremden Kunstfleißes, Metallwaren, Arm— bänder, Ringe, römische und arabische Münzen, Glasperlen u. a. weit in das Innere der slavischen Länder. Winetas Blütezeit fällt in das 10. und 11. Jahrhundert. Im Jahre 1043 wurde diese reiche Stadt von dem Dänenkönige Magnus ausgeraubt und fast zerstört; seitdem erholte sie sich nicht mehr; leicht gebaut, wie sie gewesen, hat sie nicht einmal Spuren ihres Daseins hinterlassen; das Meer fraß allmählich selbst den Boden, wo sie gestanden hatte. Die Wenden waren ein kräftiger Menschenschlag, von gedrungenem Körperbau, nicht besonders groß, fleischig, mit braungelber Haut, meist dunkeln Haaren und Augen. Hitze und Kälte, Hunger und Durst ertrugen sie leicht. Sie kleideten sich nach morgenländischer Art in lange Gewänder. Auch in ihrem Charakter erinnerte manches an den Orient. Die Stellung der Frau war bei ihnen hart und unwürdig; sie war die Sklavin des Mannes, der über sie wie über alle seine Angehörigen unbeschränkt ver— fügte. Auch herrschte Vielweiberei. Es war daher nichts Seltenes, daß eine Mutter ihr neugeborenes Mädchen tötete, um es einer reizlosen und mühevollen Zukunft zu entziehen. Andererseits ließen sich altersschwache Eltern von ihren Kindern töten, weil das Diesseits ihnen unerträglich schien, und ein gewaltsamer Tod in ein besseres Leben führte. Man fand an den Wenden doch auch viel zu rühmen. Ein hervorstechender Zug in ihrem Wesen war die strenge Ehrlichkeit; es gab unter ihnen keinen Dieb und keinen Räuber, daher auch weder Schloß noch Riegel, und die Lüge verabscheuten sie wie den Diebstahl. Allgemein übten sie die Tugend der Gastfreundschaft und waren mild und wohlthätig gegen Arme. Ihr politischer Zustand neigte wie bei allen Slaven zur Oligarchie. Ursprünglich waren die Freien einander an Rechten gleich; jede Gemeinde entschied ihre Beratungen nach Stimmenmehrheit und wählte sich ebenso den Friedensrichter (Zupan) und den Heerführer (Woiwod). Mit der Zeit bildele sich aus den Reicheren und aus denen, die sich im Kriege oder als Priester ein größeres Ansehen erworben hatten, ein erblicher Adels— stand, dessen Häupter zu Fürsten wurden. Jeder Stamm mußte nun seinem Fürsten Abgaben zahlen und Kriegsdienste leisten, und die schwersten Lasten flelen auch hier auf die Gemeinen. Je mehr der Adel aufkam, desto größer wurde die Zahl derer, die aus freien Bauern zu leibeigenen Knechten herabsanken. Trat Krieg ein, so mußte jeder freie wehrhafte Mann mit Schild, Spieß und Schwert oder Bogen und Pfeilen oder einer Keule mit ins Feld. In Abteilungen zu 10, 100, 1000 zogen sie aus, jede Gemeinde Uunter ihrem Zupan, mehrere Haufen unter einem Knesen, voran die Paldamus, Lesebuch. 4. Teil. (Quarta). 6. Aufl. 17