258 Der Mann befolgte den Rat des Arztes und verdiente so viel, wie zur Ernährung seiner Familie llötig war. Aber als das Jahr 1889 ins Land kam, da war seine Kraft dahin, und er legte sich hiil und starb. Seine Witwe mit ihren drei Kindern wußte nun nicht, wovoil sie weiter leben sollten. Da ging sie in die Wohnung wohl¬ habender Leute lllld half ihnen bei der Arbeit. Aber das, was sie daniit verdiente, reichte nicht aus zum Unterhalt der Familie. Die Wangen ihrer Lieben wurden täglich blasser, und bald war die Not auf das höchste gestiegen. Da dachte sie in ihrem Herzen: „Wenn du dem Kaiser in Berlin betn Elend offenbarst, so wird er dir helfen." Und sie sehte sich hin und schrieb einen Brief an Kaiser Wilhelm. Darin schilderte sie ihni die traurige Lage mtb bat ihn, ihr doch ans dem allergrößten Jammer zu helfen. 2. Als sie den Brief abgeschickt hatte, da zogen wieder Mut und Fröhlichkeit bei ihr ein. Und ihre Hoffnung auf das milde Herz unsers Kaisers sollte nicht zuschanden werden. Gar bald trat ein Mann in Uniform in ihre Wohnung und legte ihr gegen Quittung bare hundertundzwanzig Mark ans den Tisch. Und als der Mann die Quittung von den daraufgefallenen Freudentränen der Witwe getrocknet hatte, ging er still hinaus. Aber der Mann hatte and) einen Brief mitgebracht. Als die Witwe den öffnete, da flössen die Tränen abermals. Und wiederum waren es Tränen des Dankes. Denn in dem Briefe stand, daß ihr der Kaiser außer dem Gnaden¬ geschenk eine monatliche Unterstützung von 27 Mark gewähre. Die drei Kinder der Witwe sind jetzt erwachsen nnd können selbst für sich sorgen. Die Witwe aber unterschreibt noch jeden Monat eine Quittung über richtig empfangene 27 Mark. (Sustav Westfal. 238. Die Kaiserin als Landesmulter. 1. Unser Kaiserpaar hat sechs Söhne und eine Tochter; die Kaiserin Auguste Viktoria sorgt aber nicht nur für ihre eigenen Kinder, sondern auch für andere, kleine imb große. Wie der Kaiser der Vater des Landes ist, so will sie dessen Mutter sein. In der großen Stadt Berlin hat sie nun viel Gelegenheit, Gutes zu tun und für das Wohl andrer zu sorgen. Dort wohnen viele arme Leute, die ärmer sind als die ärmsten unter uns. In Gemeinschaft mit andern reichen Leuten sorgt die Kaiserin nun so viel wie möglich dafür, daß den