Lesebuch für die Sonntagschulen der Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben und Neuburg

Liebermann, Ernst

Bibliographic data

Monograph

Persistent identifier:: PPN1020746505

URN:: urn:nbn:de:0220-gd-19203429

Title:: Lesebuch für die Sonntagschulen der Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben und Neuburg

Shelfmark:: DF-II 56(3,10)

Illustrator:: Liebermann, Ernst (09.05.1869-11.02.1960)

Place of publication:: München

Publisher:: Seyfried

Document type:: Monograph

Collection:: Readers,imperial Germany

Publication year:: 1910

Edition title:: 3. Auflage

Scope:: [1] Blatt, 379, VIII Seiten, [1] Bildtafel

Copyright:: Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung

Language:: German

Chapter

Title:: II. Das häusliche Leben

Document type:: Monograph

Structure type:: Chapter

Eine treue Magd. „7 112 2 Kinder kommen in harte, fremde Hände. Sie ist ohne Hilfe nicht imstande meine Kinder zu erhalten.“ „Ich verlasse Ihre Frau nicht, wenn Sie sterben sollten. Ich bleibe bei ihr bis in den Tod, wenn sie mich nötig hat.“ So sagte die treue Magd in Einfalt und Unschuld und in der Kraft ihres frommen Kinderglaubens. Da reichte ihr der Sterbende die Hand, lächelte das edle Mädchen an und sagte: „Ich danke dir, Babeli, du Gute! Du machst mir das Sterben leicht. Gott lohne deine Treue!“ Schwer sank sein Haupt in die Kissen, aber ein friedvolles Lächeln ging über sein Antlitz. Und als dann sein brach, da blieb der heitexe Glanz einer letzten Freude in den starren ügen. Die treue Magd hielt, was sie ihrem sterbenden Herrn gelobt hatte. Sie blieb bei der gebeugten Witwe und war der gute Geist ihres Hauses. Sie arbeitete und schaffle, sie sparte und darbte, damit es den Waisen an nichts fehle. Sonderlich nahm sie sich des kleinen Heinrich an. Er war ihr Liebling, weil er ihrer Sorgfalt am meisten bedurfte und weil er mit Kindesliebe an seiner treuen Pflegerin hing. Aber auch das kleinere Schwesterlein Barbara und den älteren Bruder Baptist versaumte sie nicht. Nie kam ihr der Gedanke in den Sinn, mit der Erfüllung ihres Ver— sprechens aufzuhören. Ihr einfacher, frommer Glaube band sie wie mit einem Eide daran, wie schwer es ihr auch manchmal wurde. Es war die äußerste Sparsamkeit im Haushalte nötig, wenn man auskommen wollte. Aber Babeli leistete fast das Unmögliche in der Sparsamkeit. Um einen Korb Kraut oder Obst einige Pfennige wohlfeiler zu kaufen, ging sie wohl drei- bis viermal auf den Markt und paßte auf den Augen⸗ blick, in welchem. die Marktleute sich zur Heimkehr anschickten. Wenn die Kin— der auf die Gasse oder an irgend einen Ort wollten, wo sie nichts zu tun hatten, da hielt sie Babeli mit den Worten zurück: „Warum wollt ihr doch unnütz Kleider und Schuhe verderben? Seht, wie eure Mutter so viel entbehrt, um euch ordentlich zu erziehen! Wochen- und monatelang geht sie nicht fort und spart jeden Pfennig, den sie für eure Erziehung not— wendig braucht.“ Die Sonntagskleider der Kinder waren immer sehr schön, aber sie durften nur wenig getragen werden. Sobald die Kinder heimkamen, mußten sie die guten Sachen ausziehen, damit sie recht lange als Sonntagskleider brauchbar waren. Von sich selbst und von dem, was sie sich abbrach und den Kindern opferte, redete das edle Mädchen nie ein Wort. Die Pflicht war ihr selbstverständlich. So wuchs Heinrich Pestalozzi an der Hand der besten Mutter und der treuesten Magd heran. Gott ließ einen berühmten Mann aus ihm werden. Millionen von Menschen preisen ihn heute als Kinderfreund und Volks— erzieher. Wo man aber sein Gedächtnis segnet, da gedenkt man auch der treuen Magd Babeli. Polack, nach Pestalozzi.

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