Anschaulich-ausführliches Realienbuch

Kahnmeyer, Ludwig; Schulze, Hermann

Bibliographic data

Monograph

Persistent identifier:: PPN791298884

URN:: urn:nbn:de:0220-gd-12616374

Title:: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

Shelfmark:: RD-II 1(8,1889)-2

Author:: Kahnmeyer, Ludwig
Schulze, Hermann

Place of publication:: Braunschweig [u.a.]

Publisher:: Wollermann

Document type:: Monograph

Collection:: Textbooks for study of the natural and cultural world (Realienkunde),imperial Germany

Publication year:: 1889

Edition title:: Ausg. A, ohne "alte Geschichte", 8., verb. Stereotyp-Aufl.

Scope:: Getr. Zählung

Copyright:: Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung

Language:: German

Subtitle:: enthaltend Geschichte, Geographie, Naturgeschichte und Naturlehre, (zugleich 2. Teil des Lesebuchs für Volksschulen) ; für die Hand der Schüler

Chapter

Title:: I. Geschichte

Document type:: Monograph

Structure type:: Chapter

— 36 — in Konstanz ankam, ward er noch vor dem Verhör in ein ekelhaftes, ungesundes Ge¬ fängnis geworfen. Sigismund, hierüber unwillig, ward von den Geistlichen durch die Worte beruhigt: „Einem Ketzer braucht man das gegebene Wort nicht zu halten." Huß verfiel in eine schwere Krankheit und war dem Tode nahe. Kaum genesen, ward er in die Domkirche geführt, wo das Konzil versammelt war. Aller Augen sahen aus ihn. Nach seiner gewaltigen Verteidigungsrede forderte man, er sollte seinen als ketzerisch bezeichneten Lehren abschwören. Er aber sprach: „Wenn man mich aus der Bibel eines Irrtums überführt, so will ich gerne widerrufen, wo nicht, so werde ich bis in den Tod meinem Glauben treu bleiben." Da verdammte ihn das Konzil zum Feuertode. 4. Auf dem Scheiterhaufen. Jetzt riß man ihm mit Flüchen stückweise seinen Ornat ab und schinipfte ihn dabei einen verdammten Judas. „Nach seiner Entkleidung wurde er. als von der Kirche ausgestoßen, der weltlichen Gewalt übergeben. Als man ihm eine papierne Mütze mit drei gemalten Teufeln und der Aufschrift: das ist ein Erzketzer! aufsetzte und seine Seele der Hölle übergab, sprach er: „Und ich befehle sie meinem Herrn Jesu Christo." Dann führte man ihn auf eine Insel im Rhein. Als er über die Brücke kam und sah das Feuerholz und das Stroh, fiel er dreimal auf seine Knie und sprach laut: „O Jesus Christus, der du für uns gelitten hast, erbarme dich meiner!" Dann ließ sich Huß fröhlich und ohne Zagen an den Pfahl binden. Um den Hals legten sie ihm eine alte, rostige Kette, als ob er einer neuen nicht wert wäre. Er aber sagte mit lächelndem Munde: „Mein Herr Christus ist mit einer viel härteren Kette meinetwegen gebunden worden, warum sollte ich mich schämen, mit einer alten rostigen Kette gebunden zu werden?" Unter seine Füße legten sie zwei Bündel Reisi g und um seinen Körper viel Holz, Stroh und Reisig bis an den Hals. Ehe es aber die Henker anzündeten, ritt zu ihm Pfalzgraf Ludwig und ermahnte ihn, von seinem Irr» tum abzustehen. Huß aber sagte: „Ich rufe Gott zu meinem Zeugen an, daß ich das, so sie mir durch falsche Zeugen auf den Hals geladen haben, nicht gelehrt oder ge¬ schrieben habe. Die Wahrheit, so ich gelehret und gepredigt habe, will ich behalten und auch mit meinem Tode versiegeln." Nun wurde der Holzstoß angezündet. Hoch wir> belten Flammen und Rauch empor. Huß sang mit heller Stimme 2mal: „Christe, du Lamm Gottes, erbarme dich mein!" Als er aber zum drittenmale beginnen wollte, trieb ihm der Wind das Feuer ins Gesicht und erstickte die Stimme des Sterbenden. Seine Asche wurde in den Rhein gestreut. (Ein Jahr darauf wurde auch sein Freund Hieronymus an derselben Stelle verbrannt.) Da, wo der Scheiterhaufen gestanden hat, ist jetzt ein großer Steinblock errichtet worden. (S. Geogr. Baden). b. Kusfitenkrieg. 1419—1436. Wilder Zorn ergriff die Böhmen bei der Nachricht von dem Feuertode des Johann Huß. Ritter, Bauern, Handwerker scharten sich zusammen unter ihrem Anführer, dem einäugigen Ziska, und forderten den Kelch beim Abendmahle zurück. In ihren Fahnen flatterte das Bild des Kelches; mit dem Kelche in der Hand riefen die Priester zum heiligen Kampfe auf. Den „wortbrüchigen" Sigismund wollten sie nicht als König von Böhmen anerkennen, und so loderte die Flamme der Empörung blut¬ rot empor. Mit Sensen, Keulen, Dreschflegeln und Lanzen bewaffnet, durchzogen die wilden Scharen der Hussiten Böhmen, Bayern, Franken und verwüsteten alles Land rings um¬ her. Alle Einwohner — mit Ausnahme der Gläubigen — sollteil vernichtet werden, alle Bücher außer der Bibel vertilgt, alle Kirchen, Klöster und Altäre niedergerissen werden, da man sie zu den heiligen Handlungen nicht gebrauche. In einer Stadt, die Ziska mit Sturm genommen, ließ er alle noch übrigen Einwohner in die Sakristei einsperren, ringsumher Stroh anhäufen und sie verbrennen. Durch einen Pfeil verlor Ziska auch das 2. Auge; aber nach wie vor führte er die Seinen zum Kampf und Sieg, bis ihn die Pest dahin¬ raffte. Nach seinem Tode wurde Prokopius Anführer der Hussilen. Auch unter feiner Füh¬ rung bezeichneten Flamme unb Rauch den Weg, den die Hussiten genommen hatten. (In Naum¬ burg jedoch, wo nach der Sage der wilde Prokop, durch das Flehen der Kinder gerührt, Kirschen unter sie austeilen ließ, sind die Hussiten niemals gewesen.) Im Jahre 1436 kam ein Vertrag zustünde, in welchem die Hussiten Sigismund als König anerkannten, wogegen ihnen der Kelch beim Abendmahl zugestanden wurde. 3»

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