Full text: [Teil 2 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 2 = Sexta, [Schülerband])

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V. Aus der Geschichte. 
72. Der General Derfflinger. 
Ludwig Hahn. Geschichte des preußischen Vaterlandes. Berlin. 
In allen Kriegen, die der Große Kurfürst führte, war 
Derfflinger sein treuer Feldherr; wir finden ihn bei allen großen 
Kriegstaten, besonders auch in der Schlacht von Fehrbellin 
tätig. Selbst im Alter von zweiundsiebzig Jahren übernahm 
er auf Wunsch seines Fürsten noch einmal den Oberbefehl im 
Kriege gegen die Schweden. Auch hier zeigte er die gewohnte 
Tapferkeit, die Schnelligkeit und Kühnheit, die ihn auszeichnete. 
Stets war er voran in der Gefahr, als Greis noch ein Jüngling 
in den Waffen. Er überlebte den großen Kurfürsten und zog 
noch einmal unter dessen Sohne, Friedrich I., gegen die Fran¬ 
zosen ins Feld. Derfflinger war kein gelehrter Feldherr, und 
seine Kenntnisse im Kriegswesen verdankte er nur der Er¬ 
fahrung. Auch seine Schulbildung soll nicht die beste gewesen 
sein. Einst schickte er, so wird berichtet, einen Rittmeister auf 
Kundschaft aus; dieser setzte auf den Umschlag des Berichtes, 
den er erstattete, das Wort „Raptim“, d. h. in Eile. Derfflinger 
aber hielt dies für einen Ortsnamen und suchte lange danach 
auf der Karte. „Ich habe den Rittmeister nach Neudorf ge¬ 
schickt,“ sagte er, „und nun hat ihn der Teufel nach Raptim 
geführt.“ Als er endlich darüber aufgeklärt wurde, daß raptim 
ein lateinisches Wort sei und „in Eile“ bedeute, rief er zornig: 
„Ei, so hätte der Narr mögen auf gut Deutsch hinschreiben 
„in Eile“, und ich hätte mir eine gute halbe Stunde unnützen 
Suchens erspart.“ 
Gegen seine Soldaten war Derfflinger freundlich, leutselig 
und freigebig; sie vertrauten ihm und liebten ihn. Sie erzählten 
sich von ihm eine Menge Geschichten, die wohl unverbürgt, aber 
doch lustig anzuhören sind. Derfflinger, so hieß es bei ihnen, 
kam als armer Schneidergesell in seinem sechzehnten Jahre aus 
der Lehre und wollte von Tangermünde über die Elbe seinen 
Weg nach Berlin nehmen; die Schiffer aber wiesen ihn zurück, 
weil er kein Geld hatte, die Überfahrt zu bezahlen. Traurig 
am Ufer stehend, sah er, daß viele Leute unentgeltlich über- 
gesezt wurden; er fragte, was das für Leute seien, und erhielt 
zur Antwort: Kriegsleute, die kämen überall frei durch. Da 
meinte Derfflinger, so wäre es ja besser, in der Welt Kriegs¬ 
mann zu sein als Schneider, warf unwillig sein Bündel mit dem 
Handwerkszeug in den Strom und ließ sich auf der Stelle als 
Reiter anwerben; und jedermann weiß, wie weit er es gebracht
	        
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