Hahn: Der General Derfflinger.
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Kat. Derfflinger schämte sich der Erinnerung seiner früheren
Lebensjahre keineswegs; er selbst sprach gern auf heitere Weise
von seiner Vergangenheit. Als er noch gemeiner Dragoner
war, erzählte er einst, konnte er einmal nachts nicht schlafen,
sondern warf sich unruhig auf der Streu hin und her; sein
Zeltkamerad wurde dadurch gleichfalls am Schlafe gehindert,
und scheltend fragte er, warum Derfflinger so unruhig sei. Er
könne nicht schlafen, antwortete dieser, weil ihn der Gedanke
quäle, ob er wohl in der Welt noch ein General werden möchte.
„Ach was!“ rief der andere, „lieg und schlaf! Ein Lumpenhund
magst du wohl noch werden, aber kein General!“ Dreißig Jahre
nachher, als Derfflinger schon Feldmarschall war, kam er in
ein Städtchen, wo der Name des Bürgermeisters ihn an jenen
Kameraden erinnerte. Er fuhr sogleich vor dessen Wohnung,
und als der Bürgermeister eiligst mit der Mütze in der Hand
hervorstürzte, rief Derfflinger, der ihn auf den ersten Blick
wiedererkannte, mit starker Stimme: „Kamerad, kennen wir uns
wohl noch?“ — „Ja,“ erwiderte der Bürgermeister mit Zögern.
„Und wie ist’s mit der Prophezeiung geworden?“ fuhr Derfflinger
fort, indem er ihm die Worte jener Nacht zurückrief. Der
Bürgermeister entschuldigte sich, nach so langer Zeit könne er
sich der Worte, die er damals gebraucht hätte, so genau nicht
mehr erinnern, bäte aber um Verzeihung, wenn unter ihnen als
Zeltkameraden damals so etwas vorgekommen wäre. „Wenn’s
einmal Lumpenhund sein muß,“ rief Derfflinger, „so mag’s drum
sein; aber wer ist denn nun der Größte geworden, ich oder du?“
Der Bürgermeister wußte sich in seiner Verwirrung kaum zu
fassen; der Feldmarschall aber sprang aus dem Wagen, umarmte
ihn brüderlich, klopfte ihm auf die Schulter und fragte, ob er
was Gutes zu essen habe? „Schinken, geräucherte Würste, Fische
und Krebse habe ich im Hause,“ war die Antwort. „Und ich,“
sagte Derfflinger, „habe guten Rheinwein bei mir.“ Und so
gingen sie zusammen hinein, aßen und tranken vergnügt mit¬
einander und unterhielten sich mit alten Schnurren und Streichen
aus jener früheren Zeit. Wenn Derfflinger sich aber seiner
niederen Herkunft auch nicht schämte, so wollte er doch nicht,
daß man sie ihm vorwarf oder darüber spöttelte, und er war
nicht der Mann, so etwas geduldig zu ertragen. Als ein franzö¬
sischer Gesandter die Unverschämtheit hatte, den Kurfürsten bei
Tafel zu fragen, ob es wahr sei, daß er in seinen Diensten
einen General habe, der ein Schneider gewesen sei, erhob sich
Derfflinger sogleich und rief, flammende Blicke auf den Franzosen