Full text: [Bd. 2, [Schülerband]] (Bd. 2, [Schülerband])

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wenn es die Tribunen nicht gehindert hätten. Diesechestimmten darauf 
dem Koriolan einen Tag, wo er vor den: Gerichte des Volkes erscheinen 
sollte. Die Patrizier flehten nur Gnade für ihn, er selbst aber zeigte 
Trotz und Hohn und verachtete die Anklage. Als er jedoch sah, daß er 
verurteilt werden würde, wartete er den Gerichtstag nidjt ab, sondern 
entfernte sich aus Rom, das Volk aber verhängte über ihn lebenslängliche 
Verbannung. 
Koriolan ging nach Antium, einer Stadt der Volsker, wo 
ihn sein Gastfreund Attius Tullus bereitwillig aufnahm. Hier brachte 
er es dahin, daß die Volsker gegen die ihnen verhaßten Römer einen 
Krieg unternahmen. An der Spitze eines großen volskischen Heeres drang 
er bis in die Nähe von Rom vor und lagerte sich fünftausend Schritte 
weit von der Stadt. Weit und breit verwüstete er die Ländereien der 
Plebejer, verschonte aber die der Patrizier, entweder um seinen Haß gegen 
jene an den Tag zu legen oder um beide Parteien gegeneinander auf¬ 
zureizen. 
Rom befand sich in der größten Gefahr. Von außen wütete der 
Feind, im Innern trennten Zwistigkeiten Volk und Senat. Da ward 
eine Gesandtschaft der vornehmsten Patrizier slu Koriolan abgeordnet, 
sie kehrte aber unverrichteter Sache zurück. Dann wurden Priester mit 
allen Zeichen ihrer Würde abgeschickt. Ter feindliche Feldherr empfing 
sie mit Ehrerbietung; doch auch sie richteten nichts aus. Endlich gingen 
Veturia, die Mutter Koriolans, und dessen Gemahlin Volumnia 
mit den Kindern nebst anderen römischen Matronen ins volskische Lager. 
Als Koriolan von ihrer Ankunft hörte, eilte er auf seine Mutter zu 
um sie zu umarmen. Allein Veturia wich seinen Umarmungen aus. 
„Laß mich erst wissen," sprach sie, „ob ich zu dem Feinde Roms oder 
zu meinem Sohne gekommen bin! Habe ich darum so lange leben müsseil 
um meinen Sohn erst als Verbannten und dann als Feind Roms zil 
sehen? Wie? Du kannst Rom bekriegen, das dich geboren hat und das 
alles enthält, was dir teuer sein muß? Hätte ich doch keinen Sohn, 
so brauchte die Stadt nicht diese Bedrängnis zu erfahren!" Diese Klagen 
bezwangen die Rachsucht des Römers und von kindlicher Liebe besiegt 
rief er aus: „Mutter, das Vaterland hast du gerettet, aber deinen Sohn 
auf ewig verloren!" — Er führte hierauf das Heer in das Gebiet der 
Volsker zurück, von denell er bald nachher erschlagen ward. Nach einer 
anderen Sage soll er als Verbannter ein hohes, aber kümmerliches Alter 
in der freudlosen Fremde erreicht haben. Nach L. Stacke. 
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