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sein und, wenn er hineinschaute in all die Pracht Gottes, wohl auch
die Lippen bewegt haben zu einem stillen Vaterunser.
Nach H. Zimmert.
126. Der Wald am Morgen.
Es ist ein erhabener Anblick, wenn man von hoher Berges¬
spitze aus den Aufgang der Sonne betrachten kann; einen eigen¬
artigen Reiz aber hat es auch in Waldeinsamkeit den Anbruch des
Tages zu erwarten.
Die letzten Sterne am Himmel erbleichen und durch die Baum¬
lichtung blickt das Morgenrot. Jetzt zwängt sich der erste Licht¬
strahl durch die Bäume und glitzert in tausend Tautropfen wider.
Durch die Wipfel geht ein leises Rauschen, als wolle der Wald sein
Morgengebet zum Herrn emporsenden. Dort drüben über der
Waldwiese aber herrscht noch dunkler Schatten und von dem feuchten
Gras steigen leichte Dunstwölkchen in die Höhe.
Jeder Strauch scheint in frischerem Grün zu prangen, stolzer
streckt die Blume ihren Kelch empor und die Erdbeere erhebt ihr
rotes Köpfchen von dem Blätterkissen, darauf sie die Nacht hindurch
geruht.
Lauter wird es in den Zweigen, die munteren Vögelein hüpfen
von Ast zu Ast und singen um die Wette dem Herrn ihr Morgen¬
lied. Dann aber huschen sie schnell durch die Luft den hungrigen
Jungen die ersehnte Nahrung zu bringen. Eichkätzchen hat sich auf
die höchsten Bäume gemacht und tut sich gütlich an dem Tannen¬
zapfen, von dem es Blatt um Blatt herunterwirft. Dort rauscht
etwas durch das Gebüsch; es ist ein Reh, das mit seinen klaren,
braunen Augen umherschaut und rasch wieder im Dickicht ver¬
schwunden ist.
Heiliger Gottesfriede herrscht weit umher im Walde, von fern
her aber klingen die verhallenden Töne eines Glöckleins herein in
die stille Waldandacht. Nach M. Randolf.
127. Der Abend.
Die Sonne ist an den Bergen angekommen, die in der Ferne
sich dunkelblau erheben. Noch strahlt sie in voller Klarheit aber
ihr Glanz ist rötlich geworden, sodaß der Abendhimmel daneben sich
in gelbem Schimmer zeigt, der erst in einiger Entfernung in tiefes