Full text: [Abt. 2 = Quinta, [Schülerband]] (Abt. 2 = Quinta, [Schülerband])

Livius: Roms Gründung. 
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Wilden Feigenbaumes hangen blieb. Da zog das Wimmern der Kna¬ 
ben eine Wölfin herbei, die vom nahen Gebirge kam, um zu trinken. 
Mit mütterlicher Zärtlichkeit beleckte sie die Kleinen und reichte ihnen 
ihre Brüste dar. So fand sie Faustulus, der Oberhirt der königlichen 
Herden, nahm die Kinder mit zu den Standhütten der Hirten und 
übergab sie seiner Frau Acca Larentia. Er nannte sie Romulus und 
Remus und erzog sie als Hirtenknaben. Einige nehmen an, Larentia 
habe bei den Hirten Lupa, Wölfin, geheißen und so sei die Sage ent¬ 
standen. Sobald die Knaben heranwuchsen, durchstreiften sie die um¬ 
liegenden Wälder mit dem Bogen und dem Jagdspieß, ohne darum auf 
der Viehweide lässig zu sein. Hierdurch an Kraft und Mut gestählt, 
wagten sie sich bald nicht bloß an wilde Tiere, sondern überfielen auch 
mit Beute beladene Straßenräuber, teilten den Raub unter ihre Ge¬ 
nossen aus und wurden bald Führer einer mutigen Schar von Jünglingen. 
Ein Zufall machte nach einiger Zeit diesem Leben auf der Weide 
und im Walde ein Ende. Die Beraubten nämlich ersahen sich den 
Zeitpunkt, wo die Hirten, an ihrer Spitze die beiden Brüder, ein Fest 
feierten, zu einem plötzlichen Überfalle, um den Verlust ihrer Beute zu 
rächen. Romulus erwehrte sich ihrer mannhaft, den Remus aber 
nahmen sie gefangen und stellten ihn unter der Beschuldigung, daß er 
auf Numitors Besitzungen Plündereien begangen habe, vor den König 
Amulius. Dieser lieferte ihn zur Hinrichtung an den Numitor ab. 
Niemand hegte bei diesem Vorgänge größere Besorgnis als Faustulus, 
der Pflegevater der beiden Jünglinge. Gleich von dem Tage an, wo 
er die Zwillinge gefunden, hatte er die Vermutung genährt, daß seine 
Zöglinge königlicher Abkunft wären. Er wußte, daß auf königlichen 
Befehl Zwillinge ausgesetzt waren, und die Zeit, in welcher er die Kinder 
zu sich genommen, traf genau mit der Zeit der Aussetzung überein. 
Doch wollte er sein Geheimnis nicht kund werden lassen, wenn ihn 
nicht die Not dazu drängte. In der Augst eröffnete er dem Romulus, 
was ihn beunruhigte. Auch dem Numitor, der den Remus gefangen 
hielt, fiel bei dessen Anblick der Gedanke an seine Enkel aufs Herz; 
er glaubte an dem Jünglinge die Züge seiner Tochter wieder zu er¬ 
kennen, das zutreffende Alter und das kühne Benehmen desselben be¬ 
stärkten ihn in seiner Ahnung. Schon war er geneigt, sich gegen den 
Remus darüber auszusprechen und denselben als seinen Enkel anzu¬ 
erkennen; schon entwarf er, alle Gefahren prüfend, Pläne zu des 
Amulius Entthronung. Da gab des Romulus Kühnheit dem Gro߬ 
vater zu entschlossenem Handeln den letzten Antrieb. An der Spitze 
seiner Gefährten, die er auf verschiedenen Wegen um eine bestimmte 
Zeit am königlichen Schlosse hatte zusammentreffen lassen, stürmte 
Romulus zum Könige Amulius hinein, während der in Freiheit gesetzte 
Remus ihn von Numitors Wohnung aus mit einem zweiten Haufen 
unterstützte. Amulius wurde ermordet; Numitor aber enthüllte nun 
seines Bruders Frevelthaten dem zusammenströmenden Volke und empfing 
zuerst von seinen Enkeln als König Begrüßung und Huldigung, in 
welche die versammelten Latiner jubelnd einstimmten.
	        
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