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2. Ums Turmdach fliegt die Schwalbenschar,
Es rüstet sich das Storchenpaar
Zur Reise nach dem fernen Land;
Schon reift die blaue Schleh' am Strauch,
Darunter ich im Lenzeshauch
Das erste Veilchen fand.
3. Der letzte Duft, der letzte Sang,
Der trüben Wolken schwerer Gang
Füllt nicht mit Sorge mir die Brust;
Ich weiß, mir blüht aus Blumentod,
Aus Nebelgraun und Wintersnot
Des neuen Frühlings Lust.
L. Bauer. Aus Wegen und Stegen. 1881. S. 127 f.
1. Das Feld ist weiß, so blank und rein,
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille;
Hell wie Krystall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.
2. Der Lichtstrahl spaltet sich im Eis,
Er flimmert blau und rot und weiß
Und wechselt seine Farbe.
Aus Schnee herdus
Ragt nackt und kraus
Des Dorngebüsches Garbe.
3. Von Reifesduft befiedert sind
Die Zweige rings, die sanfte Wind'
Im Sonnenstrahl bewegen.
Dort stäubt vom Baum
Der Flocken Flaum
Wie leichter Blütenregen.
4. Tief sinkt der braune Tannenast
Und drohet, mit des Schneees Last
Den Wandrer zu beschütten;
Vom Frost der Nacht
163. Winterlied.
Gehärtet kracht
Der Weg von seinen Tritten.
5. Das Bächlein schleicht, von Eis
geengt;
Voll lauter blauer Zacken hängt,
Das Dach; es stockt die Quelle;
Im Sturze harrt,
Zu Glas erstarrt,
Des Wasserfalles Welle.
6. Die blaue Meise piepet laut;
Der muntre Sperling pickt vertraut
Die Körner vor der Scheune;
Der Zeisig hüpft
Vergnügt und schlüpft
Durch blätterlose Haine.
7. Wohlan, auf festgediegner Bahn
Klimm' ich den Hügel schnell hinan
Und blicke froh ins Weite
Und preise den,
Der rings so schön
Die Silberflocken streute!
J. G. v. Salis. Gedichte. 1808. S. 22.
164. Am warmen Ofen.
1. Draußen jagt der Wind die Flocken, 3. Endlich hat sich unter Necken
Frostig bricht die Nacht herein, Unser Völklein heimgemacht,
Fernher grüßen Abendglocken Nur der Schneemann mit dem Stecken
In das stille Kämmerlein. Hält am Gartenzaun noch Wacht.
4. Und daheim die Kleinen sitzen
Traulich beim Großmütterlein,
Durch des warmen Ofens Ritzen
Blinkt der Flammen heller Schein.
2. Auf der Eisbahn vor dem Thore
Tummeln noch die Brüder sich,
Bis im Abendnebelflore
Letzter Tagesschein erblich.