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2. „Er hat recht, Heise," sagte der König; „aber ich habe eine
sehr wichtige und dringliche Arbeit. Wenn ich jetzt zu Bette gehen
soll, so muß Er mich spätestens früh um vier Uhr wieder wecken.
Ich werde dann noch schläfrig sein, nicht aufstehen wollen und Ihn
15 wieder wegschicken, aber ich befehle Ihm, sich nicht abweisen zu
lassen, und ermächtige Ihn, im Falle der Weigerung mir die Bett¬
decke wegzuziehen. Hört Er? — beim Verluste meiner Gnade!"
„Werde pünktlich Eurer Majestät Befehle ausführen," war Heises
Antwort, und der König begab sich zur Ruhe.
20 3. Mit dem Glockenschlage vier trat der treue Diener in das
königliche Schlasgemach. Er sah den geliebten Herrn tief, fest und
süß schlafen, und es ging ihm an die Seele, diesen Schlaf zu
stören; allein eingedenk des strengen Befehls weckte er den König
mit lauter Stimme. Als dieser die Augen öffnete, sagte er: „Ich
25 habe mich anders besonnen. Ich muß noch zwei Stunden schlafen.
Komm Er um sechs Uhr wieder!" Und als Heise zögerte, setzte er
heftig hinzu: „Nun aber fort zum Zimmer hinaus!"
4. „Seine Majestät der König von Preußen hat mir, dem
Kammerdiener Heise, befohlen, ihn heute Schlag vier Uhr zu wecken,
30 bei Verlust der königlichen Gnade. Dem Könige muß ich gehorchen,
und die allerhöchste Gnade zu verlieren wäre mein Tod," sagte
Heise ruhig und ernst, blieb aber an seiner Stelle stehen.
5. „Er hört's ja: ich will nicht!" rief der König. „Eure
Majestät müssen," sprach Heise ruhig, „der König hat's befohlen;
35 ja noch mehr, der König hat befohlen, im Weigerungsfälle die
Decke wegzuziehen!" Und er zog die Decke dem König weg.
6. „Dem König muß man gehorchen, das ist richtig," sprach
Friedrich und stand auf; als er sich aber noch völlig schlaftrunken
streckte und gähnte, rief er aus: „Ach Gott, wär ich doch ein
40 Kriegsrat geworden!"
ii.
Der Wachtmeister Krüger.
1. Der König blieb gerne an der Tafel sitzen, wenn abgespeist
war; er ließ sich dann gehen und plauderte von Kriegsereignissen
und seinen Schlachten; dabei war er höchst lebendig in der Dar¬
stellung. Eines Tages kam ein Auftritt vor, der einen Blick in
45 das Verhältnis des Königs zu seinen Soldaten hoher und niederer
Stellung tun läßt.
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