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Prosa. A. Darstellungen, Abhandlungen, Betrachtungen.
Vergrößerung zahlreicher Tiergebiete. Unsere Haustiere folgen dem Europäer
bis in die entferntesten Kolonien, wo die ursprünglich geringen Bestände
oft in kurzer Zeit zu ungeheuren Herden anwachsen. Wir dürfen hier nur
an die Millionen von Schafen erinnern, welche Australien und das Kapland
bewohnen, und an die Tausende von Rindern und Pferden, die sich auf
den Pampas wild umhertreiben. Manche Tiere wieder sind lästige Be—
gleiter des Menschen, wie die Ratten und Mäuse, welche überall anzutreffen
sind, wo europäische Schiffe regelmäßig verkehren; noch andere endlich ge—
langen mit Kulturpflanzen oder Früchten nach fernen Ländern, so die Reb—
laus mit der Weinrebe, der Koloradokäfer mit der Kartoffel.
Erweisen sich auf der einen Seite mannigfache Verhältnisse den Tieren
auf ihrer Wanderung dienstbar, so stellen sich ihnen auf der anderen Seite
auch vielfach unüberwindliche Hindernisse entgegen.
Am seltensten sind Flüsse derartige Schranken, weil sie von den meisten
Tieren leicht überschritten werden können. Dennoch verbreiten sich gewisse
Vogelarten, welche das eine Ufer des Amazonas bewohnen, nicht über diesen
Strom. Indes ist wohl der einzige Grund hierfür der, daß die Vögel auf
dem einen Ufer vergeblich nach ihrem Pflanzen- und Insektenfutter suchten.
Bär und Bison durchschwimmen den Mississippi; im Jahre 1829 ist sogar
ein sechs Monate altes Schwein, also ein Tier, dessen Schwimmfertigkeit
stark bestritten wird, vom Hochwasser zur Mündung des Spey ESchottland)
hinausgeführt worden und hat von dort einen fünf englische Meilen ent—
fernten Landungsplatz erreicht So ziehen auch Rehböcke zur Brunstzeit in
den Kanadischen Seen von Insel zu Insel, um sich den Geißen zu nähern.
Die Ratten hat man in Kamtschatka zur Frühlingszeit häufig über Flüsse,
Seen und Meeresarme schwimmen sehen; ebenso wandern Lemminge in
Scharen zuweilen von Finnmarken in das Nördliche Eismeer und schwimmen
seewärts so weit, bis alle zugrunde gehen. Sogar der Tiger dringt vom
Festland aus schwimmend bis zur Insel Singapur vor, und ebenso kommt
er von Salsette aus nach Bombay hinüber. Doch dürften von Landsäuge—
tieren kaum jemals Meeresarme von zwanzig geographischen Meilen Breite
durchschwommen werden; Kanäle von dieser Breite erweisen sich also in
Hinsicht auf die Landsäugetiere als eine wirksame Sperre.
Viel häufiger als die Ströme bilden die Meere unbesiegbare Schranken
für die Tiere; namentlich können Säugetiere — die Fledermäuse und Wale
ausgenommen — selten größere Meeresräume überschreiten. Für die mit
Flug- und Schwimmwerkzeugen ausgerüsteten Tiere sind natürlich Streifzüge
über große Meeresgebiete, selbst über Ozeane möglich; für die beständig im
Wasser lebenden Tiere ist dasselbe sogar ein notwendiges Mittel zu einer
weiten Verbreitung.
Wie die Meere, so dienen auch die Gebirge bald als Brücken, bald
als Schranken für wandernde Tiere. So finden kleine wühlende Tiere,
wie der für Mitteleuropa bezeichnende Igel, am Uralgebirge ihre Grenze—
Diese Tatsache ist besonders lehrreich, da sich hier deutlich zeigt, daß