Full text: Von Goethe bis zur Gegenwart (Band 2, [Schülerband])

□SQglßgiciaßglCiaßa Rede zur Schiller-feier. LQLQLQLQLQ 795 
opferwilligen, schwergeprüften Mannestugend den Sieg gönnt? Wo 
Vaterland, geschlossene, liebe Heimat und das reine allgemeine Gut, 
die Freiheit, sich zu einem verbinden? Und noch mehr, wo auch jene 
Reinigung und Klärung der wilden Freiheitsrufe des achtzehnten 
Jahrhunderts, die wir schon gerühmt, ihren Triumph feiert? In 350 
jenem Bild eines Volkes von Hirten ist es, das nicht früher sich zum 
Aufruhr erhebt, als bis es zu dem Äußersten gebracht ist, wo 
der Mensch 
Getrosten Muts hinaufgreift in den Himmel 
Und holt herunter seine ew'gen Rechte, 
Die droben hangen, unveräußerlich 
Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst! — 
eines Volkes, das im gerechten Kampfe der Notwehr ietneii Tropfen 
Blutes mehr vergießt, als nötig ist, um Recht und Ordnung, friedliche 
Pflanzstätte für alles Gute und Menschliche zu gründen; in jenem 360 
vollsten Gegenbilde zu seinem wilden jugendlichen Räuberschauspiel ist 
es, im Wilhelm Tell. 
Ja, wohl ehrenvoll für dieses glückliche Land, daß er ihm seine 
alten Helden, von denen es seit frühen Zeiten sang und sagte, also 
zu leuchtenden, ewig gültigen, der Menschheit bleibend eingeprägten 
Bildern gestaltet, daß er sie ihm, wie Homer den Griechen ihren 
strahlenden Heroenkreis, dadurch erst wahrhaft zum geistigen Eigen¬ 
tum gegeben hat! 
In seinem Dank vergesse es nicht, dies also verherrlichte Land, 
daß Schiller alle Völker und sein Volk vor allen im Auge hat. Er 370 
hat geahnt, was dies Volk zu werden bestimmt ist. Er war ein 
Seher, ein Prophet! O in dem Manne war, ich weiß nicht, welches 
Wunderbare, welcher weit in die Zukunft vorragende, weit über alle 
Lande sich ausdehnende Geist! Um wie viel er uns als Schwärmer 
erscheint, um so viel müssen wir in die Zukunft und ins Weite blicken, 
um ihn zu verstehen. Darum wächst auch in Tiefe und Weite die 
Liebe und das Verständnis für ihn; ein Jahrhundert ist vorüber seit 
seiner Geburt, und wir verehren ihn als einen der ersten unter den 
Geisteshelden der Menschheit; ein Jahrhundert und wieder eins wird 
vergehen, man wird ihn feiern von Jahrhundert zu Jahrhundert, und 380 
endlich wird eine Feier kommen, wo die Menschen rufen: Seht hin, 
er hat recht gehabt mit seinem hohen Bilde der Freiheit und schönen 
Menschlichkeit! Nicht, als wäre er der Tor, zu meinen, es sei ja 
eine Welt ohne Gebrechen möglich, und noch weniger heißt er uns 
die Gegenwart mit jäher Hast anfassen. Als Mensch sah er nüchtern
	        
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