QSß2]ß2l(lg](2£)ß2J(22]ß2)(22] Bildung. LQLQLQLQLQL2L2 875
demnach ein Mensch, der den Typus oder das Wesen des Menschen 11Q
in voller und reiner Entfaltung darstellt. Da bei der Schätzung des
Menschen das Hauptgewicht auf das Innenleben fällt, und da dieses
nur durch die erziehende Einwirkung der elterlichen Generation zu
voller Entwicklung kommt, so können wir nun so sagen: gebildet ist ein
Mensch, in dem durch Erziehung und Unterricht die menschliche Anlage
zu einer das menschlich-geistige Wesen rein und voll darstellenden
individuellen Gestalt entwickelt ist.
Es ist die Aufgabe der Ethik, dieses allgemeine Schema ins
einzelne auszuführen. Folgen wir der Platonischen Philosophie, die
mit ihrer sinnvollen und anschaulichen Dreiteilung des Innenlebens 120
in Vernunft, Wille und Sinnlichkeit dem Pädagogen so handliche
Kategorien bietet, so können wir das Ziel menschlicher Entwicklung
durch die Formel seiner Ethik umschreiben: Rechtschaffenheit, recht¬
schaffene Bildung ist die Einheit der drei Tugenden oder Tüchtigkeiten
der Weisheit, der Tapferkeit und der Besonnenheit. Ein „gebildeter",
ein rechtschaffen gestalteter Mann ist der, in dem die Vernunft ihre
Aufgabe erfüllt, die großen, göttlichen Gedanken der Wirklichkeit nach¬
zudenken und das Leben aus seiner Idee zu bestimmen; in dem ferner
die edleren Affekte, Mut und Ehrliebe, Pietät und Scheu vor dem
Gemeinen, zu kräftigen Willensbestimmungen entwickelt sind; in benx 130
endlich das sinnliche Triebleben so gebändigt und gezogen ist, daß es,
fern davon, das höhere Leben zu stören oder gar sich dienstbar zu
machen, ihm vielmehr als Werkzeug und Darstellung dient.
In der Tat wird man diesem Bildungsideal Allgemeingültigkeit
zuschreiben dürfen: klare und tiefe, zum Wesen dringende Erkenntnis
der natürlichen und geschichtlichen Wirklichkeit, sicheres Urteil über die
eigenen Verhältnisse und Aufgaben, ein fester, seiner selbst gegen die
Schwankungen der Neigungen sicherer, durch die höchsten menschlichen
Zwecke bestimmter Wille, ein feines Gefühl für das Gehörende und
Geziemende, endlich eine disziplinierte Sinnlichkeit mit veredelten 140
Genußtrieben, die, das Gemeine zurückstoßend, für alles Schöne
empfänglich, einem reichen Gemütsleben zur Unterlage und gleichsam
zum Resonanzboden dienen — mit diesen Linien wird die dem Wesen
oder der göttlichen Idee des Menschen entsprechende Gestalt für alle
Zeiten gültig umschrieben sein.
Aber, so werden wir nun hinzufügen, dieses allgemeine Schema
menschlicher Bildung läßt sehr verschiedene Erfüllung zu, oder vielmehr es
fordert sie, denn der allgemeine Mensch existiert nicht; der Mensch existiert
in Wirklichkeit nur als besonderes geschichtlich bestimmtes Wesen. Die