Full text: Poesie für das Seminar (Teil 3, [Schülerband])

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Erster Teil. Tie Zeitalter der deutschen Dichtung. 
4. Doch wie ich nach beiden fragte, 
Gab die Welt mir Spott und Not; 
Denn der Heiland war gekreuzigt, 
Und das Vaterland war tot. 
5. Und es lag schon längst im Grabe, 
Und ein Stein darauf gerückt, 
Auf dem schweren Felsblock aber 
Waren Siegel viel gedrückt. 
6. Deiln es geht ein seltsam Märchen, 
Als ob doch an einem Tag 
Das begrabne auferstände 
Wie mit einem Wetterschlag! 
7. Bei dem Grabe aber halten 
Kriegsleut' gar bedenklich Wacht, 
Und die Jünger stehn von ferne, 
Zweifelnd in der Mitternacht. 
8. Ob du, Rehlein hier im Walde, 
Wohl von meinem Kummer weißt, 
Da aus deinem dunkeln Auge 
Eine helle Träne fleußt? 
Der träumende See. 
l. Der See ruht tief im blauen Traum, 2. Doch leise weht das Schilf und wiegt 
Von Wasserblumen zugedeckt; Das Haupt im leichten Sinn; 
Ihr VöFlein hoch im Fichtenbanm, Ein blauer Falter aber fliegt 
Daß ihr mir nicht den Schläfer weckt! Darüber einsam hin. 
110. Gustav Pfarrius, 
1800- 1884, geb. zu Heddesheim bei Kreuznach, gest. zu Cölu. - Seine Gedichte sind durch 
frischen, volkstümlichen Ton ausgezeichnet. 
„Waldlieder." Cöln 1850. 
Wie es den Sorgen erging. 
1. Einst wollt' ich hinaus in den 
grünen Wald, 
Da zogen die Sorgen mit; 
Vergebens bot ich wohl zehnmal Halt, 
Sie folgten mir Schritt für Schritt. 
2. Doch als wir kamen wohl in den 
Busch, 
Begann ein Geflüster sogleich; 
Die Vöglein riefen: Ihr Sorgen, husch! 
Hinaus ans dem grünen Bereich! 
3. Das Gras erhob sich und hielt sie 
aus, 
Ein Windstoß hauchte sie fort, 
Die Bäume rauschten und schlugen drauf, 
Sie flohen von Ort zu Ort 
4. Und rannten und stießen die Köpfe 
sich ein 
Ani Felsen riesig und rauh, 
Verschmolzen im lachenden Sonnen¬ 
schein, 
Ertranken im duftigen Tau. 
5. „Da habt ihr's," ries icki, von ihrer 
Not 
Befreit, in die Lüste hinaus; 
„Da seht ihr, was euch im Walde droht; 
Ein andermal bleibt ihr zu Haus!" 
111. Robert Reinick, 
1805—1852, Maler, lebte lauge am Rheiu, woher auch seine Sangeslust und sein harm¬ 
los-heiterer, lebensfroher Sinn. Seine Lieder, von denen viele in Musik gesetzt sind, tragen 
ganz den Stempel seiner Persönlichkeit s„Lieder eines Malers"). Wir haben von ihm tresf 
liche Übertragungen der Hebelschen Gedichte. Bekannt und beliebt ist auch sein „Märchen , 
Lieder- und Geschichtenbuch", das reizende Erzählungen und Gedichtchen für unsere Kleinen 
enthält.
	        
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