HI- Neuhochdeutsche Dichtung. P. Das 19. Jahrh. 6. Der Poet. Rcalisnms. 217
122. Otto Ludwig,
cvjpr,1865, geb. zu Eisfeld in Meiningen, ein Dichter von tiefem Ernst und begeistertem
Er , ^us, den er trotz der drückenden Verhältnisse seines äußeren Lebens sich bewahrte,
glaubte sich zunr Dramatiker berufen, doch sind seine Erzählungen: „Die Heithereithei",
"O'vpchen Himmel und Erde", wertvoller als seine Dramen: „Der Erbförster", „Die
Makkabäer". — S. S. 494 des III. Teiles.
„Gesammelte Schriften." Leipzig 1891.
Der Mermorgen.
}• Der Ostermorgen lächelt,
Ein Bräut'gam, in die Welt.
steigt, von Duft gefächelt,
^us seinem blauen Zelt.
2- Und rings herum das Schweigen;
Der Wald, er steht so still,
Uein Blümchen sich verneigen,
^ein Läubchen rauschen will!
3- Im fernen Kirchlein singet
Die fromme Christenschar,
'der von den Steinen klinget
Ein Echo wunderbar.
4- Als wenn aus Bergestiefen
Das Singen quoll' hervor,
Als weitn die Felsen riefen:
Er lebt, er lebt! im Chor.
5. Er lebt! er lebt! da lauschen
Die Blümlein, beugen sich,
Da bücket sich mit Rauschen
Der Wald so feierlich.
6. Und mächt'ger klingt's und wieder:
Er lebt! Er lebt! vom Stein;
Mir rinnt ein Schauer nieder
Ain ittnersten Gebein,
7. Und denk' — und muß mich
beugen —,
Was dort geschrieben ist:
Die Steine werden zeugeit,
Wenn mich der Mensch vergißt!
H Deutschland!
I- O Deutschland, Deutschland! Vater-
land!
Ar hat dir deine Ehr' entwandt?
Ar, deine Kinder, stehn voll Mut,
Ar stehn mit unserm besten Gut,
Ar stehn mit unserm besten Blut
Dir, Vaterland, zur Seiten!
O Deutschland, Deutschland, unbe-
s», glückt,
Ar hat dir deinen Kranz zerpflückt
vierzig Fetzen, groß und klein?
Mit Gut und Blute stehn wir ein:
Dein Kranz soll neu gewunden sein,
So Gott uns hilft in Gnaden.
3. Wenn Deutschland ruft, dein Vater¬
land,
Fluch dir, bist du ihm abgewandt!
Vergiß, vergiß zu dieser Frist,
Vergiß, was dir das Nächste ist!
Nur das, daß du ein Teutscher bist,
Das sollst du nie vergessen!
Der Verurteilte.
l - Ach, wenn mein Schatz sollt' denken,
Dfch ich hier sterben muß!
Die Blümlein würd' sie tränken
Al ihrer Tränen Guß.
A Gott! so zu verderben,
fremden Land zu sterben!
Und kann mir nicht erwerben
"on ihr den Abschiedskuß.
2. Sie haben mich gefangen,
Derweil ich fürbaß ging,
Und soll nun schmählich hangen;
Mein Hoffen ist gering.
Bald werd' ich's müssen tragen
Und kann Ade nicht sagen.
O Gott! dir will ich's klagen,
Sie schließen schon den Ring.