Full text: Für die Präparandenanstalt (Teil 1, [Schülerband])

Prosa. B. Märchen. 
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Jahren nid)t stürbe, und weil er alles gut bezahlte, so erhielt er doch immer 
noch Herberge. Im vierten Jahr kam er in ein Wirtshaus, da wollte ihn 
der Wirt nicht aufnehmen und wollte ihm nicht einmal einer: Platz im Stall 
anweisen, weil er fürchtete, seine Pferde würden scheu werden. Doch als 
der Bärenhäuter in die Tasche griff und eine Handvoll Dukaten heraus¬ 
holte, so ließ der Wirt sich erweichen und gab ihm eine Stube im Hinter¬ 
gebäude; doch mußte er versprechen, sich nicht sehen zu lassen, damit sein Haus 
nicht in bösen Ruf käme. 
Als der Bärenhäuter abends allein saß und von Herzen wünschte, daß 
die sieben Jahre herum wären, so hörte er in einem Nebenzimmer ein lautes 
Jammern. Er hatte ein mitleidiges Herz, öffnete die Tür und erblickte 
einen alten Mann, der heftig weinte und die Hände über den: Kopf zusammen- 
schlug. Der Bärenhäuter trat näher, aber der Mann sprang auf und wollte 
entfliehen. Endlich, als er eine menschliche Stimme vernahm, ließ er sich be¬ 
wegen, und durch freundliches Zureden brachte es der Bärenhäuter dahin, 
daß er ihm die Ursache seines Kummers offenbarte. Sein Vermögen war 
nach und nach geschwunden, er und seine Töchter mußten darben, und er 
war so arm, daß er den Wirt nicht einmal bezahlen konnte und ins Gefängnis 
sollte gesetzt werden. „Wenn Ihr weiter keine Sorge habt," sagte der Bären¬ 
häuter, „Geld habe ich genug." Er ließ den Wirt herbeikommen, bezahlte 
ihn und steckte dem Unglücklichen noch einen Beutel voll Gold in die Tasche. 
Als der alte Mann sich aus seinen Sorgen erlöst sah, wußte er nicht, womit 
er sich dankbar beweisen sollte. „Komm mit mir," sprach er zu ihm „meine 
Töchter sind Wunder von Schönheit, wühle dir eine davon zur Frau. Wenn 
sie hört, was du für mich getan hast, so wird sie sich nicht weigern. Du siehst 
freilich ein wenig seltsam aus, aber sie wird dich schon wieder in Ordnung 
bringen." Dem Bärenhäuter gefiel das wohl, und er ging mit. Als ihn die 
älteste erblickte, entsetzte sie sich so gewaltig vor seinem Antlitz, daß sie auf¬ 
schrie und fortlief. Die zweite blieb zwar stehe:: und betrachtete ihn von 
Kopf bis zu Füßen, dann aber sprach sie: „Wie kann ich einen Mann nehmen, 
der keine menschliche Gestalt mehr hat? Da gefiel mir der rasierte Bär noch 
besser, der einmal hier zu sehen war und sich für einen Menschen ausgab, 
der hatte doch einen Husarenpelz an und weiße Handschuhe. Wenn er nur 
häßlich wäre, so könnte ich mich an ihn gewöhnen." Die jüngste aber sprach: 
„Lieber Vater, das muß ein guter Mann sein, der Euch aus der Not geholfen 
hat, habt Ihr ihm dafür eine Braut versprochen, so muß Euer Wort gehalten 
werden." Es war schade, daß das Gesicht des Bärenhäuters von Schmutz 
und Haaren bedeckt war, sonst hätte man sehen können, wie ihn: das Herz 
im Leibe lachte, als er diese Worte hörte. Er nahm einen Ring von seinem 
Finger, brach ihn entzwei und gab ihr die eine Hälfte, die andere behielt er 
für sich. In ihre Hälfte aber schrieb er seinen Namen, und in seine Hälfte 
schrieb er ihren Namen und bat sie, ihr Stück gut aufzuheben. Hierauf nahn: 
er Abschied und sprach: „Ich muß noch drei Jahre wandern; kon:m ich aber
	        
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