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dem Schinn der Apfelbäume herüber äug ein. Schwer beladene Erntewagen, mit bunten
Kramen geschmückt, %iehen heim; Schnitter folgen scherzend und singend. Der Storch schwingt
sich vom Neste auf und übt seine Jungen im Fliegen. Die Schwalben schwimmen in
der Luft, durchschneiden sie in weiten Kreisen immer mit gespannten Flügeln, tauchen
6 wieder unter auf den Fluss und gleiten über seine Fläche hin. Im Fluge haschen M
die Mücken weg, im Fluge locken sie einander mit hellem Laut; die rauschende
er springt sie nicht; dem Falken entgehen sie leicht und warnen vor ihm die anderen
Vögel. Die freie Schwalbe vertraut dem Menschen. Unter das Gesimse meines Dache*
hat eine ihren Erker angemauert; die Jungen strecken die Köpfe hervor und rufen eie;
io da kommt sie geflogen, schwenkt vorüber, schliefst nochmals den Kreis; dann blifo'
schnell trifft sie aufs Nest, und schwebend über ihm und flatternd hält sie eine Fliege,
die Jungen zwitschern und schnappen die Beute weg. Und wie ein Pfeil fliegt du
Schwalbe über Strom und Felder davon. Bald ist sie wieder da und hinter
neckend eine andere; sie segeln um das Dach, da stürzt die verfolgte ins Zimmer herein
i5 Schnell das Fenster zu! Wie sie an den Wänden vorüberstreift und an der DiÄ*
lareist, mit gebogenem Leib, mit gebücktem Kopfe und breitgefächertem, niedergedrückte
Schwänze, und fest angezogen ihre Fü/sehen hält! Das Element ist ihr nicht wt&i
nicht tief genug, und sie schlägt jetzt ängstlich die Schwingen, dann setzt sie sich
müdet über dm Vorhang und kreuzt in Ruhe die langm Flügel. Draussen singt du
io Gespielin und wendet das Köpfchen nach jedem Vögelchen, das vorüberfliegt; nur efa
silbig antwortet und wie verzagt die Gefangene; sie sieht dm klarm Himmel, die grün*
Landschaft; sie schiefst fort, ach, und stöfst dm Kopf an die trügerischen Scheibm
flattert und taumelt zu Boden. Da hab’ ich sie gefasst. „Nur ruhig! Warum zittert
du? Bist doch bei deiner Hütte und in Freundeshand; bist ja so oft mir um
86 Kopf geschwärmt, ins Zimmer geflogen, hast deine Kreise gemacht und alsdann muntA
dich wieder ins Freie hinausgeschnellt und hast vom Dache herab dein süsses Liedcht»
hörm lassm. So keck blickt mich das Plattköpfchen mit seinm dunklm, kleinen Aug^
an, öffnet gar das breite Schnähelchm und weiset die gespaltme Zunge. Will es siW
wehrm, das arme Ding ? kratzt mit seinm Füfsehen und dm schwachen Nägeln. Nd»,
*o ich tue dir nichts, bist doch so glatt und schmuck im stahlblauen Gewände und de»1
weifsm Schürzchm, ein wahres Hausvögelchm, von aller Hoffart frei; das braus
Stirnband und Brusttuch sind dein einziger Schmuck und an deinem Federfächer dd
Reihe weifser Perlm. Nun will ich dich füttern, in schönem Gitterkäfig dich bewahr^
dich pfleg mV — „Nein“, ruft der Vater, „lass sie fliegm! Häuslich ist sie ud
so bläulich, aber ans freie Element gewöhnt, und nur bei ihrm Gespielm und bei ih/rdf
Kindern ist ihre Heimat. Missbrauche das Verträum nicht, mit dem sie in d$»
Zimmer flog, zu dir sich rettete!“ — Da öffne ich das Fenster und Schlüsse sacht dd
Hand auf. Dü Schwalbe rührt sich nicht, nur ihre Äuglein spielm; jetzt pfeifen $
Jungen, sü hat ihre Stimme vernommm, ist aufgefiogm, zieht einm Kreis in der Luft’
to hat eine Mücke weggeschnappt und fliegt zu Neste.
Der Herbst geht vorüber, die Schwalbm scharrn sich an Teichen und Seem iil'
sammm und fliegm auf, einer andern Heimat zu; mit ihnm zieht meine Schwalbe
ihre Jungm, Der Winter wird frostig; manch scheues Spätzchen naht, ihm werdd»
Krumm vors Fenster gestreut; aber die Schwalbe lebt fern und frei unter Zitronm U».
<5 Orangm und schwärmt um die Kronm der Palmm. Und kommt der Frühling ^
seinm lindm Lüften, so bringt er sie auch wüder heim; sü lässt von dm Düftm E
der Pracht der Blumen , von der Fülle des Reichtums sich nimmer zurückhalten, ^
trotzt den Stürmm, trotzt dm Gewittern, überfliegt dü Meere und findet die Hiiti6'
findet ihr Nestchen bei ihrm alten Bekanntm. Ihr Lied begrüfst müh des Morgens früh
so sü kreiset wüder mit ihrm Gespielm um das Dach, und sie helfm sich traulich
Erker wieder bäum und ausbessern.