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3- „So hoch sich erheben! Mir bangte vor
Blitzen!"
segnet die Buche, die tüchtige, drauf.
g'nügt es, bescheiden und wacker zu nützen,
Je Müden zu schirmen, die Armen zu schützen;
^ Zehrt' ich im Eifer so geme mich auf!"
4- „Nein", schüttelt die Birke die zierlichen
_ Locken,
gjit fließt in den Adern ein leichtes Geblüt,
vlange die Freuden mir leuchten und locken,
0 will ich mich freu'n, eh' die Säfte mir stocken;
ag Leben ist flüchtig, die Jugend verblüht."
» 5- „Das ewige Grünen! das ewige Freuen l"
Widert die Tanne, die strengere, nun.
Der Lust bin ich müde; mich sollt' es nichtreuen.
Die
grünenden Nadeln zur Erde zu stteuen,
^u' immer zu schlummern, auf immer zu ruhn."
Salweide dagegen: „O fröhliches Leben,
Zweige zu wiegen im sonnigen Blau,
j. Walter zu schauen, ihr Schillern und Schweben,
^ trinken, wie würzige Säfte der Reben,
"t durstigen Zügen erquickenden Tau!"
„Vor allem ergötzt mich der Vögelein
» Singen",
o läßt sich vernehmen der Ahorn darauf.
H^nnschlagendeDrosielnvorüber sich schwingen
schmetternde, Helle Jagdhörner erklingen,
^chjittert mich Lust von der Wurzel zum
Knauf." —
8. So hört man im Walde das Flüstern und
Plaudern
Von tausend redseligen Zungen umher;
Doch nun — wie sie plötzlich erschrecken und
zaudern! ‘
Wie bange die Wipfel sich sträuben und schau¬
dern!
Es nagt sich ein Wetter, so dunkel und schwer.
9. Schon fallen des Donners gewichtige Keile
Mit hohem Gepolter ins knarrende Holz; w
Hinfahren der Blitze vielschneidige Beile
Und schlagen mit mächtigen Hieben in Eile
Zu Boden der Eiche hochfahrenden Stolz.
10. Die Buche, daß nun ihren Segen sie tue,
Sie fiel einem Armen zum freundlichen Los. is
Bald kam auch die Tanne, die ernste, zur Ruhe;
Sie bot ihre Bretter dem Müden zur Truhe
Und sank in der Grüfte verschwiegenen Schoß.
11. Die lustige Weide gab ihre Gewinde
Der weinvollen Tonne zum schürzenden Reif; sv
Die Birke, die leichte, bot Reiser und Rinde
Zur strafenden Rute dem fehlenden Kinde,
Der Mutter zuni Fliegen abwehrenden Schweif.
12. Nach Wunsche muß alles dem Ahorn
gelingen: ss
Er dienet, gewölbt, einer Laute zur Brust;
Und wenn die metallenen Saiten sich schwingen
Und helle, melodische Weisen erklingen.
Da zittert der Liedcrentzückte vor Lust.
808. Die zwei Wölfe, Vater und Sohn. (1775.)
. Boa W. Gleim.
Sämtlich« Werke. Herausgegeben von W. Körte. Halberstadt lau. Bd. III, S. 260.
Das SLhnchen eines Wolfs zerriß ein armes Lamm.
Als nun der Vater Wolf von einem Zweikampf kam,
Und seinen Sohn, den Held, das Lamm zerreißen sah, ss
Und seiner Heldentat der Sohn sich rühmte, da,
Da sprach der Vater: „Narr! weil keine Lämmer beißen,
So kann man sie ja leicht zerreißen!"
309. Das Krankenbett.
Von I. Jacobs. *«
Alwin und Theodor. Leipzig 1817. Tl. I, S. 38.
h. In der Nachbarschaft des Landhauses, welches der Vater Alwins und Theodors
wohnte ein trefflicher Mann, der ein einziges Kind hatte, einen Knaben von
.eJn Jahren. Dieser kam oft zu den Kindem herüber, wenn sie mit ihren Eltern
dem Lande waren, und sie liebten sich gegenseitig von ganzem Herzen. Denn»
Östren alle drei gut geartet, und selten störte ein Zwist die Fröhlichkeit ihrer
klNen Spiele. Dieser Knabe ward krank. Ein schleichendes Fieber verzehrte seine
^fte, und alle Hilfe der Arzte vermochte nichts. Täglich nahm seine Schwäche zu,
^ alle Hoffnung der Seinigen hing nur noch an dem heißen Wunsche seiner Rettung.