41. Deutsche Weihnachtsbräuche in der Familie.
41. Deutsche Weiknacktsbräucke in 6er Familie.
Wollte man eine Kinderschar, und möchte sie auch aus vielen
Tausenden bestehen, nach dem schönsten Feste des Jahres fragen
— jubelnd würde von allen Seiten die Antwort: „Das Weihnachtsfest!“
erfolgen. Welcher Zauber liegt für ein Kind schon in dem Worte Weih¬
nachten! Es bedarf nur, daß der Vater, der eben einen Brief gesiegelt,
den Wachsstock ausbläst — und jubelnd rufen die Kinder, indem der
Duft des Wachses das Zimmer durchzieht: „Es riecht nach Weihnachten.“
Kein Monat im Jahre vergeht, in dem die Kinder nicht des herrlichen
Festes gedächten. Während der einen Hälfte des Jahres sprechen die
Kinder von den Freuden des letztvörflossenen, während der anderen
Hälfte von den Hoffnungen des kommenden Weihnachtsfestes.
Und wenn dann die langersehnte Stunde schlägt, das Glöckchen,
das Schellengeläute des heiligen Christes sich hören läßt, die Türe des
großen Familienzimmers sich öffnet und strahlender Lichterglanz den
staunenden Kindern entgegenströmt, dann gibt es etwas, das doch noch
heller leuchtet und strahlt als die Menge der Wachskerzen auf dem
grünen Tannenbaume, — das sind die Augen des Kindes, die Liebe
empfangen, die Augen der Eltern, die Liebe spenden. Sollten aber
wirklich die Geschenke allein es sein, die den Kindern das Weihnachts¬
fest zum schönsten Feste des Jahres machen? Gewiß nicht. Ebenso
großen oder größeren Anteil an der Freude der Kinder haben die lieb¬
lichen Gebräuche und Sitten, die sich im Laufe der Zeit an dieses Fest
angesetzt haben und die nicht allein christlichen Ursprungs sind, sondern
zum großen Teil zurückweisen in die graue Vorzeit deutsch-heidnischen
Altertums. Es kann der Lieblichkeit dieser Gebräuche keinen Eintrag
tun, wenn wir es hier unternehmen, einige derselben — wenigstens die¬
jenigen, die in der Familie sich eingebürgert haben — bis zu ihrem
Ursprünge zu verfolgen und zu erklären. Sprechen wir dabei von den¬
jenigen, die sich aus dem deutschen Heidentume bis in unsere Zeit
herübergerettet haben, zuerst.
I.
Als das Christentum unseren Vorfahren gepredigt und mit ihm auch
die Feier des Weihnachtsfestes ihnen gebracht wurde, feierten dieselben
bereits ein Fest, das in dieselbe Zeit fiel wie das Weihnachtsfest und das
auch, zwar nicht dieselbe, doch eine ähnliche Bedeutung hatte. War
nämlich das christliche Weihnachtsfest ein Fest der Erinnerung an das
Licht, an das neue Leben, das mit dem Heiland der Welt anfing, so
war jenes heidnische Fest ein Fest der Freude darüber, daß nun (mit
dem 2i. Dezember) die Erde den schlimmsten Tag des Winters hinter
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