Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

V. Poetische Erzählungen. 
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Und sag' es öffentlich, ich glaub! es ewig nicht. 
Ich bin ja auch mit mancher Frau bekannt, 
Ich hab' es oft versucht und manche schön genannt, 
So häßlich sie auch war, bloß, weil ich haben wollte, 
Daß sie mir widersprechen sollte; 
Allein sie widersprach mir nicht. 
Und also ist es falsch, daß jede widerspricht. 
So kränkt man euch, ihr guten Schönen! 
2. Jetzt komm' ich wieder zu Ismenen. 
Ismenen sagte man's nicht aus Verleumdung nach; 
Es war gewiß, sie widersprach. 
Einst saß sie mit dem Mann bei Tische; 
Sie aßen unter andern Fische, 
Mich deucht, es war ein grüner Hecht. 
„Mein Engel,“ sprach der Mann, „mein Engel, ist mir recht: 
So ist der Fisch nicht gar zu blau gesotten.“ 
„Das,“ rief sie, „hab' ich wohl gedacht; 
So gut man auch die Anstalt macht, 
So finden Sie doch Grund, der armen Frau zu spotten. 
Ich sag' es Ihnen kurz, der Hecht ist gar zu blau.“ 
Eut“ sprach er, „meine liebe Frau, 
Wir wollen nicht darüber streiten, 
Was hat die Sache zu bedeuten?“ 
So wie dem welschen Hahn, dem man was Rotes zeigt, 
Der Zorn den Augenblick in Nas' und Lefzen steigt, 
Sie vot und blau durchströmt, lang auseinander treibet, 
In beiden Augen blitzt, sich in den Flügeln sträubet, 
In alle Federn dringt und sie gen Himmel kehrt 
ünd zitternd mit Geschrei und Poltern aus ihm fährt: 
So schießt Ismenen auch, da dies ihr Liebster spricht, 
Das Blut den Augenblick in ihr sonst blaß Gesicht; 
Die Adern liefen auf, die Augen wurden enger, 
Die Lippen dick und blau, und Kinn und Nase länger; 
Ihr Haar bewegte sich, stieg voller Zorn empor 
ünd fieß, indem es stieg, das Nachtzeug von dem Ohr. 
Drauf fing sie zitternd an: „Ich, Mann! ich, deine Frau, 
Ich sag' 63 noch einmal, der Hecht war gar zu blau.“ 
Sie nimmt das Glas und trinkt. O, laßt sie doch nicht trinken! 
3. Ihr Liebster geht und sagt kein Wort; 
Kaum aber ist ihr Liebster fort, 
So sieht man sie in Ohnmacht sinken. 
Wie konnt' es anders sein? Gleich auf den Zorn zu trinken! 
Ein plötzliches Geschrei bewegt das ganze Haus. 
Man bricht der Frau die Daumen aus; 
Man streicht sie kräftig an; kein Balsam will sie stärken. 
Man reibt ihr Schlaf und Puls; kein Leben ist zu merken, 
Man nimmt versengtes Haar und hält's ihr vors Gesicht. 
Umsonst! umsonst! sie riecht es nicht! 
Nichts kann den Geist ihr wiedergeben. 
Man rus den Mann, er kommt und schreit: „Du stirbst, mein Leben!
	        
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