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Dritter Teil. Unser Vaterland.
des Großen Rurfürsten und des zweiten Friedrich so glanzvoll in
die Erinnerung zurückruft.
5. Rlima und Boden sind es, die Norddeutschland zum Gebiet des
auf weiter Fläche betriebenen Ackerbaues gemacht haben. Der Wald
ist, mit Ñusnahme der Provinz Brandenburg, nur von geringer Be¬
deutung, und weit hinaus schweift der Blick über ausgedehnte Feld¬
kulturen, unterbrochen von mäßig ausgedehnten Weiden, wo nicht,
wie namentlich im westelbischen Gebiet, weite Heiden und Moore
das Bild verändern. Späteres Eintreten des Frühlings und kürzere
Sommerszeiten, zum Teil auch das Seltnerwerden der städtischen Sied¬
lungen mit ihren Bedürfnissen, sind Ursache, daß der Garten- und
der Obstbau selbst gegenüber Mitteldeutschland stark in den Hinter¬
grund tritt. Dies ist begreiflich, da im Uordostgebiet nur noch 150
bis 160 Tage hindurch kein Frost zu erwarten ist.
Somit ist die ländliche Bevölkerung dieser Gegenden im wesent¬
lichen auf die Massenerzeugnisse des Ackers angewiesen. Da in dieser
aber Getreide und Rartoffeln die wichtigste Bolle spielen, und da die
letztgenannte Frucht auch für die Schweinehaltung sehr in Betracht
kommt, so muß der größte Teil der norddeutschen Landwirte die Be¬
einflussung des Marktes durch die Einfuhr ausländischen Brotkornes
und Fleisches auf das lebhafteste in seiner eigenen wirtschaft emp¬
finden. So erklärt sich also aus der Beschaffenheit der Provinzen
im Flachlande ein gut Teil der Ñbneigung gegen engere Beziehungen
Deutschlands zu den außereuropäischen Ausfuhrländern landwirtschaft¬
licher Massengüter, die beispielsweise den Weinbauern Züdwestdeutsch-
lands ziemlich fremd ist, weil ihm die glücklichere Natur seiner Heimat
die Anwendung ganz anderer Wirtschaftsmethoden erlaubt, wie viel
mehr das Wohl und wehe der norddeutschen Gegenden von der Ernte
der wichtigsten Ackergewächse abhängt, wie viel mehr ihr Anbau hier
aber auch das Interesse der gesamten Bevölkerung auf sich zu lenken
vermag, dafür nur ein Beispiel. Im Jahre 1905 kamen lediglich
an Weizen- und Boggenland in den Provinzen Gst- und Westpreußen
27 a, in der Bheinprovinz, diesem vom Flachlande so sehr verschiede¬
nen Gliede des preußischen Staates, dagegen nur wenig über 5 a
auf den Kopf der Bevölkerung.
6. wir sind am Ziele unserer Wanderung durch unser großes
Vaterland angelangt, wir haben erkannt, daß auch ein so hochstehendes
Volk wie das unsere sich niemals ganz von dem Zusammen¬
hange zu lösen vermag, der zwischen dem Menschen und seiner Hei¬
mat besteht, ñus der richtigen Erkenntnis dieser geheimnisvollen
Verbindung irdischen Seins mit der Muttererde und aus dem festen
Entschluß, dem einmal Erkannten nun auch im Leben des Volkes
wie des Staates zur Geltung zu verhelfen, erwächst die Kraft der
Nationen in unserer bewegten Zeit. Wohl dem deutschen Volke, wenn
es diesen weg gehen lernt, ohne auf die Seitenpfade abzuirren, auf
denen die Blicke verlernen, das ferne, glänzende Ziel im Auge zu
behalten ! Karl Dove, Das deutsche Land in „Schaffen und Schauen".