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Erhebung und neue strahlende Siege sich drängten und aus der wilden
Flucht der Ereignisse immer gleich groß und beherrschend das Bild
des Königs heraustrat, da fühlte sich das Volk in Herz und Nieren
gepackt und erschüttert von dem Anblick echter Menschengröße. Die
Gestalt des alten Fritz, wie der Hammerschlag des unerbittlichen Schick—
sals sie zurecht geschmiedet, übte ihren dämonischen Zauber auf unzählige
treue Gemüter aus. Die Deutschen waren, wie Goethe von seinen
Frankfurtern sagt, „fritzisch“ gesinnt und lauschten mit verhaltenem
Atem, wie der unzähmbare Mann jahraus, jahrein sich des Verderbens
erwehrte.
In der Schule der Leiden und der Kämpfe erwuchs damals dem
Volk Preußens eine lebendige Staatsgesinnung. Ein Preuße zu sein
war vordem eine schwere Pflicht; jetzt ward es eine Ehre. Überall in
Preußen regten sich der Opfermut und die große Leidenschaft des Volks—
kriegs. Das Heer, das Friedrichs letzte Schlachten schlug, war national.
Die Werbungen im Ausland verboten sich von selbst in der Not der
Zeit. Die Stände der Marken rüsteten freiwillig jene Regimenter
aus, welche die Festungen Magdeburg, Stettin und Küstrin dem Staat
retteten. Die pommerschen Seeleute traten zusammen, um mit ihrer
kleinen Flotte die Odermündungen gegen die Schweden zu halten.
Sechs Jahre lang empfingen die Beamten kein Gehalt und versahen
ruhig ihren Dienst, als verstünde sich's von selber. Wetteifernd taten
alle Provinzen ihre „verfluchte Pflicht und Schuldigkeit“, wie die neue
Redensart der Preußen lautete, von den tapfern Bauern der rheinischen
Grafschaft Mörs bis hinüber zu den unglücklichen Ostpreußen. Der—
selbe Sinn lebt in den Massen des Volkes. Er verrät sich bald in
dreister Prahlerei, in den tausend landläufigen Spottgeschichten von
kaiserlicher Dummheit und preußischer Husarenlist, bald in rührenden
Zügen gewissenhafter Treue. Der junge Seemann Joachim Nettelbeck
kommt nach Danzig und wird gedungen, den König von Polen über
den Hafen zu rudern. Man setzt ihm einen Hut auf mit dem Namens—
zug König Augusts. Er sträubt sich lange; denn das fremde Hoheits—
zeichen zu tragen, scheint ihm ein Verrat an seinem Preußenkönig.
Endlich muß er sich fügen; doch der verdiente Dukaten brennt ihm in
der Hand, und sobald er nach Pommern heimkehrt, schenkt er das
Sündengeld dem ersten preußischen Invaliden, der ihm in den Weg
kommt. So reizbar ward jetzt der politische Stolz in diesem Volk,
das vor wenigen Jahrzehnten noch in der Armseligkeit seiner häuslichen
Sorgen verkam. Dem verschüchterten Geschlecht ward die Seele weit
bei dem Gedanken, daß der erste Mann des Jahrhunderts unser war,
daß der Ruhm des großen Königs bis nach Marokko und Amerika
drang.
Fast noch weiter erscholl der Ruf seiner unbestechlichen Gerechtig—
keitsliebe.