Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen im Königreich Preußen

Sittlichkeit und Wohlstand. 
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am Herd das Feuer, sie unterwies das ältere Mädel. Das alles tat 
sie auf einmal, und noch mehr, wenn es sein mußte. Manchmal 
brummte sie ein wenig mit dem Mann, war sonst aber frohlaunig 
und summte gern ein Liedel und — was die Hauptsache war — 
fütterte die Ihren stets mit einem nahrhaften Essen. Stillsitzen 
konnte sie nicht funf Minuten, wenn sie eine Arbeit sah, und war 
des Abends schon alles getan, so scheuerte sie noch einen Zuber, der 
ohnehin blank war, oder flickte ein Höslein, bevor noch das Loch ganz 
durchgewetzt worden. 
Rosegger (Sonnenschein. Leipzig, Staackmann.) 
46. Sittlichkeit und Wohlstand. 
Es gibt Personen in allen Berufskreisen, die mit ungewöhn- 
licher Scnelligkeit ihren Mitmenschen weit vorauskommen, grohen 
intiub ebalton und zu Reichtum und Ansehen gelangen. Häufig 
ber int eine solohe Familie in der dritten oder vierten Gene- 
Ation wieder zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Damit geht 
jrdisches Besitztum Hand in Hand. PEs ist erstaunlieh, welebe 
Kapitalien ein tũohtiger Menseh erwerben kann. Past noch er- 
anueher aber ist es, wie ein Erbe eines solohen Vermögens 
oftmals gänzlich verarmt. Wenn man einen solohen Weobsel 
genau beobachtet, dann wird man immer wieder hingewiesen auf 
ãen innigen Zusammenhang zwischen dittliohkeit und Besitz. 
Bei Menschen, die einem Laster verfallen sind, fallt das jeder· 
mann mit Leichtigkeit auf. Wer dem Trunke ergeben ist, ver- 
nachlãssigt seine Irbeit, verliert das Vertrauen und die Achtung 
geiner Mitmenschen, wird gemieden, niemand will ibn einstellen, 
on er Irbeiter ist, niemand will ihm die Ausführung einer 
Arbeit ũbertragen, wenn er dem Handwerkerstande angehõrt, er 
Vid aus dem Dienst entlassen, wenn er eine Beamtenstellung 
pehbieidot. So fehlt die Möglichkeit des Erwerbes, und das bereits 
orbene vird dem Götzen der Trunksuoht geopfert. Die Fa⸗- 
nie icidet Not, das Familienglück wird zertrümmert, die Ehe 
useinandergerissen, das Band zwischen Eltern und Kindern gelõst. 
Go Stelle eines behaglichen Wohlstandes tritt Armut, Plend, 
Jammer und Not. 
Der Eitlub der Sittliochkeit auf den Wohlstand ist bei dem 
beschriebenen Palle für jedermann erkennbar, und es dürfte Kaum 
cinen NMensehen geben, dem ein solohes Beispiel nieht bekannt 
vare, so dab man als Regel den Sata aufstelle kann: Unsittlich- 
keit hat Verarmung zur Polge. 
Andererseits gibt es Mensohen — und sie sind gottlob nieht 
selten die sieh aus den dürftigsten und ärmsten Verhãltnissen
	        
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