Sittlichkeit und Wohlstand.
23
1
49
am Herd das Feuer, sie unterwies das ältere Mädel. Das alles tat
sie auf einmal, und noch mehr, wenn es sein mußte. Manchmal
brummte sie ein wenig mit dem Mann, war sonst aber frohlaunig
und summte gern ein Liedel und — was die Hauptsache war —
fütterte die Ihren stets mit einem nahrhaften Essen. Stillsitzen
konnte sie nicht funf Minuten, wenn sie eine Arbeit sah, und war
des Abends schon alles getan, so scheuerte sie noch einen Zuber, der
ohnehin blank war, oder flickte ein Höslein, bevor noch das Loch ganz
durchgewetzt worden.
Rosegger (Sonnenschein. Leipzig, Staackmann.)
46. Sittlichkeit und Wohlstand.
Es gibt Personen in allen Berufskreisen, die mit ungewöhn-
licher Scnelligkeit ihren Mitmenschen weit vorauskommen, grohen
intiub ebalton und zu Reichtum und Ansehen gelangen. Häufig
ber int eine solohe Familie in der dritten oder vierten Gene-
Ation wieder zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Damit geht
jrdisches Besitztum Hand in Hand. PEs ist erstaunlieh, welebe
Kapitalien ein tũohtiger Menseh erwerben kann. Past noch er-
anueher aber ist es, wie ein Erbe eines solohen Vermögens
oftmals gänzlich verarmt. Wenn man einen solohen Weobsel
genau beobachtet, dann wird man immer wieder hingewiesen auf
ãen innigen Zusammenhang zwischen dittliohkeit und Besitz.
Bei Menschen, die einem Laster verfallen sind, fallt das jeder·
mann mit Leichtigkeit auf. Wer dem Trunke ergeben ist, ver-
nachlãssigt seine Irbeit, verliert das Vertrauen und die Achtung
geiner Mitmenschen, wird gemieden, niemand will ibn einstellen,
on er Irbeiter ist, niemand will ihm die Ausführung einer
Arbeit ũbertragen, wenn er dem Handwerkerstande angehõrt, er
Vid aus dem Dienst entlassen, wenn er eine Beamtenstellung
pehbieidot. So fehlt die Möglichkeit des Erwerbes, und das bereits
orbene vird dem Götzen der Trunksuoht geopfert. Die Fa⸗-
nie icidet Not, das Familienglück wird zertrümmert, die Ehe
useinandergerissen, das Band zwischen Eltern und Kindern gelõst.
Go Stelle eines behaglichen Wohlstandes tritt Armut, Plend,
Jammer und Not.
Der Eitlub der Sittliochkeit auf den Wohlstand ist bei dem
beschriebenen Palle für jedermann erkennbar, und es dürfte Kaum
cinen NMensehen geben, dem ein solohes Beispiel nieht bekannt
vare, so dab man als Regel den Sata aufstelle kann: Unsittlich-
keit hat Verarmung zur Polge.
Andererseits gibt es Mensohen — und sie sind gottlob nieht
selten die sieh aus den dürftigsten und ärmsten Verhãltnissen