- 18 —
auf Kommando. Die Weiber setzen eine Ehre darein, in den gellendsten
Tönen zu jammern. Schwarzer Flor weht von den Hüten der Männer.
Die Weiber sind in weiße Kleider gehüllt, denn weiß ist im Spreewald
die Farbe der tiefsten Trauer. Aber nicht allein die Bekannten und
Verwandten sollen um den Verstorbenen trauern, auch sein Vieh soll
teilnehmen an der allgemeinen Traurigkeit. Kaum hatte der Verstorbeue
seine Augen für immer geschlossen, so ging der älteste Sohn an das
Bienenhaus, klopfte an jeden Bienenstock und sprach: Bienchen, Bienchen,
stehet auf! Euer Wirt ist gestorben! Und als der Sarg aus dem
Hause in den Kahn getragen wurde, ging der Sohn in den Stall, störte
das Vieh auf, streute ihm Futter und wehklagte: Stehet auf, stehet auf!
Soeben tragen sie euren Wirt hinaus, uud uie kehrt er wieder!
Wir beendigen nnsre Fahrt, denn der Abend naht. Nebelschleier
breiten sich über Wiese, Wald und Wasser. Aus dem Schilf am Ufer
der Wasserstraßen tönt das Quaken der Frösche. Wir haben genug ge-
sehen und bitten unsern Fährmann, uns zu eiuem Gasthofe zu fahren,
wo wir ausruhen können von nnsrer Reise.
Wiedergabe durch die Kinder.
Zur sachlichen Besprechung.
a. Welche Ähnlichkeit besteht zwischen Oderbruch und
Spreewald? (1. Beide sind infolge mangelnden Gefälles des
Flusses entstanden. Das Wasser ist gleichsam in Verlegenheit,
welchen Weg es einschlagen soll und verbreitet sich netzartig
nach allen Richtungen. — 2. Beide waren einst unwirtsame
Gegenden, teilweise bewachsen von undurchdringlichem Wald,
(Bären, Wölfe, Auerochsen!), teilweise bedeckt mit Binsen, Schilf
und Schlamm. — 3. Beide Gegenden sind durch Fleiß und
Geschick der Menschen zu bewohnbaren und fruchtbaren Land-
strichen umgewandelt worden.)
d. Wir haben bei den Bewohnern des Spreewaldes eine
Reihe Sitten und Gebräuche beobachtet, die sich bei uns
nicht finden. Wie ist dies zu erklären? Die Bewohner
des Spreewaldes gehören dem deutschen Volksstamm nicht an,
es sind Reste des früher so großen und mächtigen Volkes der
Wenden, das sich einst zwischen Elbe und Oder ausbreitete.
Sie sprechen noch heute die Sprache, die ihre Väter vor
tausend Jahren redeten, singen noch immer die schwermütigen,
eintönigen Volkslieder aus alter Zeit und halten an den
Sitten und Gebräuchen fest, die einst im Wendenlande zu
finden waren. — Kleidung, Gebräuche bei Hochzeiten und
Begräbnissen, Trauerfarbe usw. — Daß sich das Wenden-
tum gerade hier erhalten hat, kommt daher, daß einstmals der
unzugängliche Spreewald den von den Deutschen bedrängten
Wenden eine sichere Zufluchtsstätte gewährte.