Full text: Das Deutsche Reich (Teil 3)

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auf Kommando. Die Weiber setzen eine Ehre darein, in den gellendsten 
Tönen zu jammern. Schwarzer Flor weht von den Hüten der Männer. 
Die Weiber sind in weiße Kleider gehüllt, denn weiß ist im Spreewald 
die Farbe der tiefsten Trauer. Aber nicht allein die Bekannten und 
Verwandten sollen um den Verstorbenen trauern, auch sein Vieh soll 
teilnehmen an der allgemeinen Traurigkeit. Kaum hatte der Verstorbeue 
seine Augen für immer geschlossen, so ging der älteste Sohn an das 
Bienenhaus, klopfte an jeden Bienenstock und sprach: Bienchen, Bienchen, 
stehet auf! Euer Wirt ist gestorben! Und als der Sarg aus dem 
Hause in den Kahn getragen wurde, ging der Sohn in den Stall, störte 
das Vieh auf, streute ihm Futter und wehklagte: Stehet auf, stehet auf! 
Soeben tragen sie euren Wirt hinaus, uud uie kehrt er wieder! 
Wir beendigen nnsre Fahrt, denn der Abend naht. Nebelschleier 
breiten sich über Wiese, Wald und Wasser. Aus dem Schilf am Ufer 
der Wasserstraßen tönt das Quaken der Frösche. Wir haben genug ge- 
sehen und bitten unsern Fährmann, uns zu eiuem Gasthofe zu fahren, 
wo wir ausruhen können von nnsrer Reise. 
Wiedergabe durch die Kinder. 
Zur sachlichen Besprechung. 
a. Welche Ähnlichkeit besteht zwischen Oderbruch und 
Spreewald? (1. Beide sind infolge mangelnden Gefälles des 
Flusses entstanden. Das Wasser ist gleichsam in Verlegenheit, 
welchen Weg es einschlagen soll und verbreitet sich netzartig 
nach allen Richtungen. — 2. Beide waren einst unwirtsame 
Gegenden, teilweise bewachsen von undurchdringlichem Wald, 
(Bären, Wölfe, Auerochsen!), teilweise bedeckt mit Binsen, Schilf 
und Schlamm. — 3. Beide Gegenden sind durch Fleiß und 
Geschick der Menschen zu bewohnbaren und fruchtbaren Land- 
strichen umgewandelt worden.) 
d. Wir haben bei den Bewohnern des Spreewaldes eine 
Reihe Sitten und Gebräuche beobachtet, die sich bei uns 
nicht finden. Wie ist dies zu erklären? Die Bewohner 
des Spreewaldes gehören dem deutschen Volksstamm nicht an, 
es sind Reste des früher so großen und mächtigen Volkes der 
Wenden, das sich einst zwischen Elbe und Oder ausbreitete. 
Sie sprechen noch heute die Sprache, die ihre Väter vor 
tausend Jahren redeten, singen noch immer die schwermütigen, 
eintönigen Volkslieder aus alter Zeit und halten an den 
Sitten und Gebräuchen fest, die einst im Wendenlande zu 
finden waren. — Kleidung, Gebräuche bei Hochzeiten und 
Begräbnissen, Trauerfarbe usw. — Daß sich das Wenden- 
tum gerade hier erhalten hat, kommt daher, daß einstmals der 
unzugängliche Spreewald den von den Deutschen bedrängten 
Wenden eine sichere Zufluchtsstätte gewährte.
	        
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