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erschrecken, so schön es aussehen mag. Aber unser gutes Ehepaar erholte sich
doch bald wieder, als das Fräulein mit wundersüßer, silberreiner Stimme
sprach: „Ich bin Eure Freundin, die Bergfee Anna Fritze, die im krystallenen
Schlosse mitten in den Bergen wohnt, mit unsichtbarer Hand Gold in den
Rheinsand streut und über siebenhundert dienstbare Geister gebietet. Drei
Wünsche dürft Ihr thun; drei Wünsche sollen erfüllt werden.“ Hans drückte
den Ellenbogen an den Arm seiner Frau, als ob er sagen wollte: Das lautet
nicht übel. Die Frau aber war schon im Begriff den Mund zu öffnen und
etwas von ein paar Dutzend goldgestickten Kappen, seidenen Halstüchern und
dergleichen zur Sprache zu bringen, als die Bergfee sie mit aufgehobenem
Zeigefinger warnte: „Acht Tage lang“, sagte sie, „habt Ihr Zeit. Bedenkt Euch
wohl und übereilt Euch nicht!“ Das ist kein Fehler, dachte der Mann, und
legte seiner Frau die Hand auf den Mund. Das Bergfräulein aber verschwand.
Die Lampe brannte wie vorher, und statt des Rosenduftes zog wieder, wie
eine Wolke am Himmel, der Oeldampf durch die Stube. So glücklich nun
unsere guten Leute in der Hoffnung schon zum voraus waren und keinen Stern
mehr am Himmel sahen, sondern lauter Baßgeigen, so waren sie jetzt doch recht
übel daran, weil sie vor lauter Wunsch nicht wußten, was sie wünschen wollten,
und nicht einmal das Herz hatten, recht daran zu denken oder davon zu sprechen,
aus Furcht, es möchte etwas für gewünscht passieren, ehe sie es genug über—
legt hätten. Nun, sagte die Frau: „Wir haben ja noch Zeit bis am Freitag.“
Des andern Abends, während die Grundbirn zum Nachtessen in der Pfanne
prasselten, standen beide, Mann und Frau, vergnügt an dem Feuer beisammen,
sahen zu, wie die kleinen Feuerfünklein an der rußigen Pfanne hin und her
züngelten, bald angingen, bald auslöschten, und waren, ohne ein Wort zu reden,
vertieft in ihr künftiges Glück. Als die Frau aber die gerösteten Grundbirn
aus der Pfanne auf das Plättlein anrichtete und ihr der Geruch lieblich in die
Nase stieg, sagte sie in aller Unschuld und ohne an etwas anderes zu denken:
„Wenn wir jetzt nur ein gebratenes Würstlein dazu hätten“, und — o weh,
da war der erste Wunsch gethan.
Schnell wie ein Blitz kömmt und vergeht, kam es wieder wie Morgenrot
und Rosenduft unter einander durch den Kamin herab, und auf den Grundbirn
lag die schönste Bratwurst. — Wie gewünscht, so geschehen. — Wer sollte
sich über einen solchen Wunsch und seine Erfüllung nicht ärgern; welcher Mann
über die Unvorsichtigkeit seiner Frau nicht unwillig werden?
„Wenn Dir doch nur die Wurst an der Nase angewachsen wäre“, sprach
er in der ersten Ueberraschung, auch in aller Unschuld und ohne an etwas
anderes zu denken, — und wie gewünscht, so geschehen. Kaum war das letzte
Wort gesprochen, so saß die Wurst an der Nase des guten Weibes fest, wie
angewachsen im Mutterleib, und hing zu beiden Seiten hinab wie ein Husaren—
Schnauzbart. Nun war die Not der armen Eheleute erst recht groß. Zwei
Wünsche waren gethan und vorüber, und noch waren sie um keinen Heller und
um kein Weizenkorn, sondern nur um eine böse Bratwurst reicher. Noch war
ein Wunsch zwar übrig, aber was half nun aller Reichtum und alles Glück zu
einem solchen Nasenzierrat der Hausfrau? Wollten sie wohl oder übel, so
mußten sie die Bergfee bitten, um unsichtbarer Hand Barbierdienste zu leisten
und Frau Lise wieder von der vermaledeiten Wurst zu befreien. Wie gebeten,
so geschehen, und so war der dritte Wunsch auch vorüber, und die armen Ehe—
leute sahen einander an, waren der nämliche Hans und die nämliche Lise nach—
her wie vorher, und die schöne Bergfee kam niemals wieder.