Full text: Für die Oberstufe (Teil 3, [Schülerband])

112 
Fünfter Abschnitt. 
mit Sachsen leichtes Spiel gehabt; fast das ganze Kurfürstentum war während 
des größten Teiles des Krieges in seinen Händen gewesen, und nur seiner 
großen Mäßigung war es anzurechnen, daß er beim Friedensschlüsse keinen 
Anspruch an das sächsische Haus erhob. Seitdem konnte weder Sachsen, 
noch ein anderes deutsches Haus ferner Preußens Übergewicht in Deutschland 
entgegentreten oder ihm die erste Stelle nächst dem Kaiserhause bestreiten, 
so schwer es auch den meisten fiel, diese neue Machtstellung des ehemaligen 
„Markgrafen von Brandenburg" gelten zu lassen. 
Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch unter den großen europäischen 
Mächten errang Friedrich eine wichtige Stellung für sein Land: Preußen, 
welches durch den Großen Kurfürsten zu einer europäischen Macht geworden 
war, ist durch den großen König zu einer europäischen Großmacht empor¬ 
gehoben worden. Das Genie des großen Königes vor allem war es, was 
ihm und seinem Staate allgemeine Achtung und gewichtigen Einfluß erwarb; 
denn ohne dieses Genie wäre Preußen aus dem schweren Kampfe nimmer¬ 
mehr mit Ruhm hervorgegangen. Mit Recht durfte Napoleon sagen: „Nicht 
das preußische Heer hat sieben Jahre lang Preußen gegen die großen Mächte 
Europas verteidigt, sondern Friedrich der Große war es." Aber das An¬ 
sehen, welches Friedrich erwarb, ging auf seinen Staat bleibend über. Sein 
Volk hatte überdies einen wesentlichen Anteil daran; denn mit dem größten 
Genie hätte er die herrlichen Erfolge nimmer errungen, wenn nicht die treff¬ 
lichen Einrichtungen Preußens ihm bei seinem Beginnen die erforderlichen 
Hülfsmittel gewährt, und wenn ihm nicht die standhafte Treue und begeisterte 
Hingebung des Volkes jederzeit zur Seite gestanden hätte. Er selbst hat es 
niemals verleugnet, wieviel er dem hochherzigen Sinne seines Volkes zu 
danken hatte, und ganz Europa erkannte, daß in diesem Volke eine Fülle 
der Kraft und eine lebendige Frische herrschte, welche dasselbe noch zu weiteren 
ruhmreichen Geschicken berief. 
Eben dieser begeisterte Aufschwung des Volkes war es auch, was auf 
ganz Deutschland belebend wirkte. Während kurz vorher die deutsche Nation 
in innerer Ermattung und Erschlaffung zu verkommen drohte, und die un¬ 
sittlichen Einflüsse des französischen Lebens und Treibens diese Gefahr nur 
erhöhten, ging jetzt auf einmal ein frischer, lebendiger Zug durch die deutschen 
Völker. Die Heldenerscheinung Friedrichs “ fesselte und entzückte alle Blicke, 
alle deutschen Herzen fühlten sich gehoben durch den Ruhm des deutschen 
Kriegers, durch die Bewunderung, die er und sein Volk überall in ganz 
Europa einflößten. Ein solches Beispiel wirkte läuternd und anregend für 
ein ganzes Volk, und wirklich fällt in die Zeit während dieses Krieges und 
gleich nach demselben der neue kräftige Aufschwung deutschen Nationalbe¬ 
wußtseins und deutscher Geistesbildung, welcher seitdem so reiche und schöne 
Früchte gebracht hat. 
18. Maria Theresia. 
A. v. Arneth, Kaiserin Maria Theresia. Wien, 1871. 
Mit einem lebhaften und durchdringenden Verstände, der scharf genug 
war, um die verwickeltsten Angelegenheiten zu entwirren, verband Maria 
Theresia ein klares Urteil und ein glückliches Gedächtnis. Kraft und Lust
	        
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