Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

61. Das Königtum in der deutschen Sprache. 
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unserer Vorfahren hat die weisere Naturkunde unserer Tage in eine 
Königin verwandelt. 
Der wirkliche König ward, je umfangreicher die Staaten und je 
verwickelter die Staatsgeschäfte wurden, dem Volke immer in größere 
Ferne gerückt, er konnte nicht überall mehr gegenwärtig sein, nicht alle 
Volksgenossen mehr persönlich kennen, wie ehedem im kleinen Volks— 
stamme. Da schuf sich das Volk zum Ersatz als Abbild ihrer Herrlich— 
keit allerlei Könige teils im Scherz, teils mit einem ernsten Anstriche. 
So erwählten sich die Spielleute und Sänger, das fahrende Volk, mit 
dem die seßhafte Obrigkeit schwer auskommen konnte, in verschiedenen 
Gegenden Deutschlands einen „Pfeiferkönig“, der von der Obrigkeit in 
gewissen Beziehungen anerkannt und wohl auch als richtiger Vertreter 
des ganzen Standes angesehen wurde. Er hatte dafür zu sorgen, daß 
kein Spielmann zu irgend einer Kurzweil zugelassen würde, der nicht 
zuvor in die Brüderschaft aufgenommen worden war, und schlichtete 
auch die unter den Genossen entstandenen Streitigkeiten. In anderen 
Berufsgenossenschaften finden wir Ähnliches, so bei den Seilern, den 
Leinziehern an der oberen Elbe, den Maurern. Viel häufiger ward aber 
ein König in Scherz und Spiel sowohl von den Erwachsenen als auch 
von den Kindern ernannt. Noch heute hat sich der Schützenkönig beim 
Vogel- oder Scheibenschießen erhalten, und man fordert nicht minder 
die Haupttugend der alten Könige von ihm, die „Milde“ in altdeutschem 
Sinne (Freigebigkeit). Auf dem Lande gab es Ernte- und Pfingst⸗ 
könige. Von Bedeutung ist ferner der König in Unterhaltungs- und 
Glücksspielen. 
Jetzt dient das Wort auch dazu, um in gewissen Lebenskreisen den 
Hervorragendsten, Besten, Mächtigsten zu bezeichnen. Luther hieß bei 
seinen Feinden der Ketzer-, bei seinen Freunden der Predigerkönig; den 
Liederkomponisten Franz Schubert pries man als den Liederkönig; 
Alfred Krupp verdiente sich den Ehrennamen des Kanonenkönigs. Auf— 
fällig ist, daß unter den Dichtern, Malern, Bildhauern u. a. keiner 
diesen Namen als unzweifelhaften Besitz erworben hat, man spricht 
höchstens von Fürsten auf diesen Kunstgebieten. In treffender Be— 
ziehung finden wir das schöne Wort, wenn der Deutsche seinen Rhein 
feiert als König der deutschen Ströme, oder wenn wir vom höchsten 
Gipfel eines Gebirges als dem König der Berge reden. 
In vielen zusammengesetzten Wörtern tritt ferner auch „König“ 
als Bestimmungswort auf; so zählt das Grimmsche Wörterbuch mehr 
als anderthalb hundert Wörter auf, die etwas, sei es Ding, Eigenschaft 
oder Person, dem König Eigentümliches, Zukommendes ober von ihm 
Herrührendes bezeichnen. Zuerst sind es solche, die sich ohne weiteres 
selbst erklären und in alltäglichem Gebrauche stehen, wie Königreich, 
Königsschloß, Königsherz. Einige sind jetzt veraltet; so war küniegerto 
ein schöner deutscher Name für das griechische „Scepter“, kuninghelm
	        
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