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mein Liebstes in der Welt-O kein Wort davon! Ihr seid Griechen!
Ihr kühlet meine Rache! Ihr müßt sterben! — Zwar bu, du scheinst mir
ein guter, sanfter Jüngling; du hättest meine armen Schwestern nicht ge¬
steinigt, du hättest dem Namen meines Vaters nicht geflucht. — Geh hin, be¬
nütze diese Regung von Mitleid, die ich vielleicht nur flüchtig für dich
empfinde; flieh eilends und verlaß dies Land! Aber diesen finstern,
tückischen Mann hier ergreift mir, meine Diener, und legt ihm die Fesseln
an! Beide zu befreien würde mir der König ja nicht gestatten."
„O heilige Jungfrau," rief Pylades abermals, „vergönne mir noch ein
Wort! Ist es dein fester Wille, nur einen von uns zu begnadigen, o so
erlaube mir, diese Wohlthat meinem Freunde zu gut kommen zu lassen!
Muß einer sterben, so will ich es sein. Ich habe es ihm geschworen, ihn
auch im Tode nicht zu verlassen; wie sollte ich mich nun feig zurückziehen,
da er zum Tode geht?"
Jetzt erwachte auch Orestes aus seiner dumpfen Betäubung. „Mit
nichten, ehrwürdige Priesterin," ries er, „geschehe das! Willst du ihn töten,
so schlachte auch mich, denn ohne ihn würde mir das Leben kein Leben
mehr sein. Keine Zunge spricht es aus, was dieser Treue schon für mich
gethan hat; mit meinem dreifachen Tode wöge ich's nicht auf. O, er ist
es wert, nun auch für sich zu leben, da er so lange für mich gelebt hat."
„Höre ihn nicht, Ehrwürdige," rief Pylades, „er weiß nicht, was er
spricht. Sieh, er ist der letzte seines Stammes, er hat ein Haus und eine
Herrschaft daheim, und seine Unterthanen ehren ihn wie einen Vater. Mir
aber leben noch die Eltern, und sie haben noch jüngere Söhne, die sich
der reichen Erbschaft freuen werden. O, du weißt nicht, was für ein Ge¬
schlecht du zu Grunde richtest, wenn du diesen sterben lässest!"
Wiederum ries Orest: „O, laß dich nicht verführen, ftomme Priesterin,
weit leichter als er kann ich dem Tode entgegenschauen. Er hat ein holdes
Weib, sie ist meine Schwester, ein treues Weib, und erst ein Jahr ist sie
mit ihm vermählt. Sie wolltest du zur Witwe und ihr zartes Kind zur
Waise machen? Um mich weint, wenn ich sterbe, kein Vater und keine
Mutter, kein Weib und kein Kindlein. Mich wirs in Fesseln, wie du
zuerst beschlossen hattest! Nie hat dein Gefühl dich richtiger geleitet."
„Wunderbare Menschen! Wer seid ihr?" rief Jphigenia erstaunt. „Wer
hat wohl je gesehen, daß ein Mensch das Liebste, das er hat, sein Leben,
so gewaltsam wegzuwerfen strebte? Aber wie edel ihr auch beide scheinet,
doch kann ich einem nur die Freiheit schenken, es bleibe also bei meiner ersten
Wahl! Geh du," sprach sie zu Pylades. „und lebe glücklich! Umarme
deinen alten Vater wieder und dein liebes Weib! Geh schnell!"
„Geh, geh," bat auch Orest an seinem Halse. „Wie wird sich die