Full text: [Abteilung 2 = (9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Abteilung 2 = (9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

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eines tüchtigen deutschen Fürsten, an dessen Erscheinen sich die persönliche Achtung und 
Liebe wieder aufrichten und nähren konnte. Daß dieser König mit einer in Deutschland 
längst entwöhnten Kühnheit und einem stolzen Selbstgefühl den alten Autoritäten im 
Innern Trotz bot, wie den auswärtigen Gewalten, daß er den Hochmut der vornehmen, 
europäischen Politik züchtigte und gegen das vereinigte Europa heldenmütig sich behauptete, 
daß er die alte deutsche Waffenehre wieder zur vollen, glänzenden Anerkennung brachte, 
daß er allen den Fremdlingen, die sich so lange übermütig als die Herren gebärdet auf 
deutschem Boden, jetzt blutig heimzahlte und uͤberall als der Überlegene, Rasche, Unbe— 
zwingliche erschien, dem auch die Gegner ihre Bewunderung nicht versagten: das war 
von unberechenbarer Wirkung für das ganze deutsche Leben. Hier war der schlimme Ruf 
unserer schwerfälligen und unbeholfenen Art zum erstenmale glänzend widerlegt; hier 
ward nach langer Ode zum erstenmal ein deutscher Mann mit seinem Volke der Gegenstand 
des Neides und der Bewunderung eines ganzen Weltteils; hier entfaltete sich nach einer 
langen Zeit von nationalem Unglück und Demütigung eine Größe, an der die Nation 
sich mit ganzer Genugtuung erheben lonnte. Es irhie auf alle Kreise diese Kühnheit 
und dies Selbstgefühl zurüch dessen Träger Friedrich gewesen; der Deutsche richtete 
sich wieder einmal aus jener gedrückten und demütigen Stellung auf, welche die üble 
Frucht der letzten Zeiten war 
So ist denn auch in unserer ganzen Geschichte bis dahin keine Persönlichkeit zu er— 
wähnen, an deren Größe sich die gesamte Nation so ohne Unterschied der Stämme, 
der Meinungen, der religiösen Bekenntnisse wieder erhob. Der unermüdliche, tätige 
und wachsame König in seiner schlichten, anspruchslosen Erscheinung, seinem scharfen 
Auge, seinem unverwüstlich gesunden Sinne, seiner Verachtung des Scheines, der Lüge, 
der Schmeichelei, seiner Gerechtigkeitsliebe ist in zahllosen Geschichten, Erzählungen 
und Aneldoten in alle Kreise des Vollslebens eingedrungen und wie keine andere 
Persönlichkeit unserer Geschichte das lebendige Eigentum der Nation geworden. Er 
ist der einzige Mann, dem es milten in der Zerrissenheit gelang, im ganzen Kreise 
der Nation populäre Wurzeln zu schlagen, mit dem ein wirklicher Kultus getrieben 
ward, wie mit keiner anderen unserer geschichtlichen Größen. Sein Bildnis war in 
die entlegensten Gegenden eingedrungen; es ward in den Reichsstädten verehrt, die 
ihr Kontingent zur Reichsarmee gegen ihn stellten, und hing in katholischen Gegenden 
neben dem Bilde des Landespatons. 
7. Sanssouci. 
Von EmanuelGeibel. 
. Dies ist der Königspark. Rings Bäume, Blumen, Vasen; 
Sieh, wie ins Muschelhorn die Steintritonen blasen! 
Die Nymphe spiegelt klar sich in des Beckeus Schoß; 
Sieh hier der Flora Bild in hoher Rosen Mitlen, 
Die Laubengänge sieh, so regelrecht geschnitten, 
Als wären's Verse Boileaus! 
2. Vorbei am luft'gen Haus voll fremder Vögelstimmen 
Laß uns den Gang empor zu den Terrassen lmmen, 
Die der Orange Wuchs umkränzt mit falbem Grün! 
Dort oben ragt, wo frisch sich Tann' und Buche mischen, 
Das schmucklos heitre Schloß mit breiten Fenslernischen, 
Darin des Abends Feuer glühn. 
Keller-Stehle-⸗Thorbecke. Deutsches Lesebuch für Höhere Mädchensch. Bd. IV. 2. 
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