Full text: Ein Lesebuch für die 4. und 3. Klasse höherer Mädchenschulen (Teil 3, [Schülerband])

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Fontane. 
offiziere, die gebrauchen nicht viel,- und die Bürger leben nicht 
delikat,- die danken Gott, wenn sie Schweinefleisch haben. — 
„Ja, da habt Ihr Recht! die Berliner essen gern was Delikates. 
Na! macht mit den Unterthanen, was Ihr wollt,- nur drückt 
sie nicht!" — Jhro Majestät, das wird mir nicht einfallen und 
keinem rechtschaffnen Beamten. — „Sagt mir einmal, wo liegt 
hier Stollen?" — Stollen können Jhro Majestät nicht sehen. 
Die großen Berge dort links sind die Berge bei Stollen, auf 
welchen Jhro Majestät alle Kolonien übersehen können."— „So? 
das ist gut! danu reitet mit bis dahin!" 
Nun kamen Jhro Majestät an eine Menge Bauern, die 
Roggen mäheten, zwei Glieder machten, die Sensen strichen und 
Jhro Majestät so durchfahren ließen. 
„Was, Teufel, wollen die Leute? die wollen wohl gar Geld 
von mir haben?" — O, nein, Jhro Majestät! Sie sind voll 
Freuden, daß Sie so gnädig sind und die hiesige Gegend be¬ 
reisen. — „Ich werd ihnen auch nichts geben. Wie heißt das 
Dorf hier vorn?" — Barsikow. — „Wem gehörtS?" — Dem 
Herrn von Mütschcfall. — „Was ist das für ein Mütschefall?" — 
Er ist Major gewesen unter dem Regiment, das Jhro Majestät 
als Kronprinz gehabt haben. — „Mein Gott! lebt er noch?" — 
Nein,- er ist tot, die Tochter hat das Gut. 
Nun kamen wir ins Dorf Barsikow, wo der Edelhos ein¬ 
gefallen ist. „Hört! ist das der Edelhof?" — Ja! — „Das 
sieht ja elend aus! Hört einmal: den Leuten gehts hier wohl 
nicht gut?" — Recht schlecht, Jhro Majestät! es ist die größte 
Armut. — „Das ist mir leid! Sagt mir doch,- es wohnte 
hier vor diesem ein Landrat. Er hatte viel Kinder: könnt Ihr 
Euch nicht auf ihn besinnen?" — Es wird der Landrat von 
Jürgaß zu Gantzer gewesen sein. — „Ja, ja; der ists gewesen. 
Ist er schon tot?" — Ja, Jhro Majestät. Er ist 1771 ge¬ 
storben, und es war was Besondres damit: in vierzehn Tagen 
starb er, seine Frau, die Fräulein und vier Söhne. Die an¬ 
dern vier Söhne mußten dieselbe Krankheit ausstehen, die wie 
ein hitzig Fieber war, und obwohl die Söhne, weil sie in Diensten 
waren, in verschiedenen Garnisonen standen und kein Bruder
	        
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