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der Geistlichkeit, zu einem Oberhause zu erklären,
dessen Beistimmung erst die Beschlüsse des Unter¬
hauses zu vollständigen Ausdrücken des National-
willens machen könne. Dazu jedoch fehlte es an
der Entschlossenheit, welche die Schritte des drit¬
ten Standes bezeichnet; es schien bequemer und
gefahrloser, sich jetzt wieder hinter den Monarchen
zu stellen, und durch ihn die fernere Thätigkeit
der Nationalversammlung hindern zu lassen. Da¬
mals also kehrte die Mehrzahl des Adels unter
den Schatten des Throns zurück, dem sie sich in
der Parlamentsstreitigkeit feindlich gegenüber gestellt
hatte. Um dem Könige die Kenntniß der öffentli¬
chen Stimmung zu entziehen, ward er bewogen,
einen mehrtägigen Aufenthalt auf dem Lustschlosse
Marly zu nehmen.
Hier gab Ludwig seinen heimlichen Nathge-
bern nach, und am 20. Juni riefen Herolde in
Versailles eine Bekanntmachung aus, die Sitzun-
gen der. Stände feyen bis zu einer, in wenigen
Tagen zu haltenden königlichen Sitzung aufgeho¬
ben. Demohngeachtet versammelten sich noch an
demselben Tage die Deputirten zur gewöhnlichen
Stunde, fanden aber den Saal, unter der Angabe,
daß der Thron für die angekündigte königliche
Sitzung ausgeschmückt werde, verschlossen und mit
Soldaten besetzt.
Diese Beleidigung reizt ihren Unwillen, und
der furchtsame Vorwand befeuert ihren Muth.
Bailly, damals Präsident der Versammlung, for¬
dert sie auf, ihm in ein Ballhaus zu folgen. Un-