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1. Mensch und Erde.
daß die Weinpflanzungen überall zurückwichen, wo Mohammeds puri¬
tanisches Nüchternheitsgebot erschallte, selbst in dem einst so wein¬
reichen Kleinasien, das Christentum hingegen den Anbau der Nebe 165
nach Möglichkeit förderte, schon um den Weihekelch des Abendmahls
rituell zu füllen. Mit dem Athenakultus war der der Göttin heilige
Albaum untrennbar verbunden; mit dem Apollodienst wanderte der
Lorbeerbaum um das Mittelmeer. Die Verdienste gewisser Mönchs¬
orden um den Wandel des finstern Waldes in lichtes, fruchttragendes 170
Gefilde während des Mittelalters sind hoch zu preisen. Ja wir haben
geradezu den urkundlichen Beleg eines solchen Wandels immer vor
uns, sobald uns nur bezeugt wird, daß zu bestimmter Zeit an dem
betreffenden Ort ein Zisterzienserkloster gegründet sei; denn das durfte
nach der Ordensregel gar nicht wo anders geschehen als da, wo noch 176
bare Wildnis den Anblick der Urzeit bot, damit alsbald dort mit Rodung,
Entsumpfung, Anbau begonnen werde.
Ganz Europa ähnelt einem Versuchsfeld, auf dem nützliche
Gewächs- und Tierarten gezüchtet wurden, um sie dann mit dem alle
übrigen Erdteile durchflutenden europäischen Kolonistenstrom nach plan- E
mäßiger Auslese auch dort einzubürgern, wo es die geologische Ent¬
wicklung nicht hatte geschehen lassen. Nicht e i n Erdteil wird ver¬
mißt unter den Darleihern von Zuchttieren, Nutz- oder Ziergewächsen
an Europa. Am schwächsten ist Afrika vertreten, nämlich bloß mit
Schmuckpflanzen wie Kalla und Pelargonien. Australien schenkte 186
uns in seinem Eukalyptus einen kostbaren, raschwüchsigen Baum, der
durch die energische Saugtätigkeit seines mächtig ausgreifenden Wurzel¬
werks u. a. in den pontinischen Sümpfen Wunder tut zur Austrocknung
des Bodens, zur Vernichtung des Fiebermiasmas. Amerika verdanken
wir den Truthahn, die Tabakpflanze, den Mais, vor allem aber die 190
Kartoffel, ferner die eigenartig fremdländische Staffage der Mittel¬
meerländer: Agave nebst Opuntie. Am meisten jedoch spendete uns
Asien, mit dem Europa zufolge seines breiten Landanschlusses im
Osten sowie der bequemen Schiffahrt über das Mittelmeer stets im
engsten Bunde gestanden hat durch Wanderungen der Völker und 196
durch Warenaustausch. Jeder Hühnerhof stellt eine asiatische Ge¬
flügelkolonie dar, innerhalb deren nicht selten der Pfau eine echt indische
Farbenpracht entfaltet. In vor- oder doch srühgeschichtliche Zeit¬
fernen reicht die Einführung des Weizens und der Gerste aus Asien,
noch während des Altertums folgten Walnuß und Kastanie, Mandel, 200
Pfirsiche und Aprikose, erst durch Lucullus die Kirsche. Oberitalien,
vormals ein sumpfiges Urwaldgebiet rein europäischer Baumformen,
ward zu einem prangenden Fruchtgefilde, wo hier asiatischer Reis,
dort amerikanischer Mais blüht und aus China gekommene Seiden¬
zucht tausend emsige Hände beschäftigt; nur die Weinrebe, die im205
Poland so reizend sich von Ulme zu Alme schlingt, darf als alteuro-