Full text: Für das siebente, achte, neunte und zehnte Schuljahr (Teil 3, [Schülerband])

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ihres Hauses einziehen sehen: von der Krankheit des Sohnes an bis zu 
dem Augenblicke, da sie, am Bette sitzend, die im Tode erkaltende Hand 
dessen hielt, mit dem sie 59 Jahre im Leben vereint war. — Ihr war 
nach dem Tode des Kaisers auf Erden nur ihr wundes Herz geblieben; 
aber wie lebhaft dennoch ihr Schaffensdrang sich erhielt, bezeugen die 
Worte, die sie wenige Tage nach dem Heimgänge ihres Gemahls an alle 
die Trauernden im deutschen Vaterlande und über dessen Grenzen hinaus 
richtete: „Was mir an Kräften verbleibt", sagte sie, „soll dem Vorbilde 
und dem Gedächtnis dessen geweiht sein, dem zur Seite zu stehen mir 
vergönnt gewesen ist." Und diesen letzten Rest ihrer Kraft mußte sie 
schon bald zwischen dem Geschicke des Staates und der tödlichen Krank¬ 
heit ihres Sohnes teilen. Als dann auch dieser die Augen geschlossen 
hatte, da war ihr Dasein fortan nur mehr eine Erinnerung. Ein halbes 
Jahr darauf, am 7. Januar 1890, wurde sie mit den vorausgegangenen 
Ihrigen im Jenseits vereinigt. 
So ist Augusta, die erste deutsche Kaiserin, von ihrem hohen Throne 
herab an Menschenliebe, Pflichttreue und Aufopferung, gepaart mit tief 
christlichem Glauben, allen, hoch und niedrig, insbesondere ihrem Geschlechte, 
ein leuchtendes Vorbild gewesen. Im Volke und in der Geschichte wird 
daher auch das Andenken an sie unvergeßlich fortleben, unzertrennlich 
von dem des Kaisers, mit dem sie den Glanz der Krone, aber auch zahl¬ 
reiche und schwere Prüfungen geteilt hat, und wenn die spätesten Ge¬ 
schlechter dereinst in Ehrfurcht sund Bewunderung auf das Ringen und 
Werden der deutschen Einheit zurückschallen, werden sie in Dankbarkeit 
neben dem Namen des Kaisers Wilhelm auch den seiner edlen Gemahlin 
Augusta nennen. 
VII. Bilder aus der Literaturgeschichte. 
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45. Walther von der Vogelweide. 
Jos. Dahmen. 
Der bedeutendste und vielseitigste aller lyrischen Dichter des Mittel¬ 
alters ist Walther von der Vogelweide. Die führende Rolle unter den 
Minnesängern hat ihm bereits Gottfried von Straßburg zuerkannt: 
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