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107. Lebewohl.
Zuerst in: Tugendhaffter Jungfrauen und Junggesellen Zeit⸗Vertreiber, d. i. neu vermehrtes und von allen Fantastischen
groben unflätigen und ungeschickten Liedern gereinigtes Weltliches Neberbüchlein, Beftehend in vielen meistentheils Neuen,
zuvor nie im Truck ausgegangenen, lieblichen und anmuthigen Schäferey⸗Wald⸗Sing-⸗Tantz⸗ und keuschen Liebesliedern.
Alle von bekannten annehmlichen Melodeyen, in ein ordentlich verfafftes Register zusammengetragen durch Hilarium
Lustig von Freudenthal. Gedruckt im gegenw. Jahr. Nr. 195. 2 Zes Kuaben Wunderhorn. Alte deutsche
Lieder, gesammelt von L. A. von Arnim und Clemens Brentano. Berlin 1873. Bo IL. S. 273.
1. Morgen muß ich weg von hier
Und muß Abschied nehmen!
O du allerschönste Zier,
Scheiden, das bringt Grämen.
Da ich dich so treu geliebt,
Über alle Maßen,
Soll ich dich verlassen.
2. Wenn zwei gute Freunde sind,
Die einander kennen,
Sonn' und Mond bewegen sich,
Ehe sie sich trennen.
Noch viel größer ist der Schmerz,
Wenn ein treu verliebtes Herz
In die Fremde ziehet.
3. Dort auf jener grünen Au'
Steht mein jung, frisch Leben,
Soll ich denn mein Leben lang
In der Fremde schweben?
Hab' ich dir was zuleid' gethan,
Halt' ich um Verzeihung an,
Denn es geht zu Ende.
4. Küsset dir ein Lüftelein
Wangen oder Hände,
Denke, daß es Seufzer sei'n,
Die ich zu dir sende.
Tausend schick' ich täglich aus,
Die da wehen um dein Haus,
Weil ich dein gedenke.
108. Treue Liebe.
(Thüringisches Volkslied.)
Scherer, Jungbrunnen. Berlin 1875. S. 154.
2. Blau ist ein Blümelein,
Das heißt: Vergiß nicht mein;
Dies Blümlein leg an's Herz
Und denk an mich!
Stirbt Blum' und Hoffnung gleich,
Sind wir an Liebe reich:
Denn die stirbt nie bei mir,
Das glaube mir!
3. Wär' ich ein Vögelein,
Wollt' ich bald bei dir sein,
Scheut' Falk' und Habicht nicht,
Flög' schnell zu dir!
Schöss' mich ein Jäger todt,
Fiel ich in deinen Schoß;
Sähst du mich traurig an,
Gern stürb' ich dann!
1. Ach, wie ist's möglich dann
Daß ich dich lassen kann!
Hab' dich von Herzen lieb
Das glaube mir!
Du hast das Herze mein
So ganz genommen ein,
Daß ich kein' andre lieb'
Als dich allein!
109. Wo a kleins Hüttle steht.
von Erlach, Die Volkslieder der Deutschen. Mannheim 1835. Bd. IV, S. 827.
1. Wo akleins Hüttle steht, ist akleins Gütle, 2. Lible ist's überall, lieble auf Erden;
Wo a kleins Hüttle steht, ist a kleins Gut. Lieble ist's überall, lustig im Mai.
Und wo viel Bube sind, Maidle sind, Bube Wenn es nur mögle wär', zmache wär, mögle
sind, wär',
Do ist's halt lieble, do ist's halt gut. Mei mußt du werde, mei müßt du sein.
3. Maidle, trau net so wohl, du bist betroge,
Maidle, trau net so wohl, du bist in G'fahr.
Daß i di gar net mag, nemme mag, gar net mag,
Sell ist verloge, sell ist net wahr.