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VI. Sagen.
ging der König hinweg und alles Volk mit ihm. Wieland aber deuchte
es gar übel, das Seinige verloren und den Zorn des Königs auf sich
gezogen zu haben.
Einige Zeit darauf machte Wieland das Bild eines Mannes aus
Erz; das sah ganz aus wie ein lebender Mensch, und als er das
wundersame Werk vollendet hatte, da trug er es eines Abends in das
Haus des Königs und stellte es in eine Ecke, die neben Neidings
Kammer war. Hierauf ging er in die Halle und diente dem König
wie die anderen Knappen.
Nach der Mahlzeit stand der König mit seinen Mannen auf und
wollte schlafen gehen. Wieland aber trug ihm die Kerze vor. lind
ivie sie vor die Kammer kamen, da blickte der König zur rechten Hand
und sprach zu dem Erzbild: „Sieh da, mein guter Freund Regin!
Heil dir und willkommen! warum stehst du so allein hier draußen?
wann kamst du? und wie hast du meine Botschaft ausgerichtet, mit
der ich dich nach Schweden sandte?" Aber das Bild antwortete nicht;
da sprach Wieland: „Herr König, dieser Mann ist so unhöflich, daß
er Euch niemals Antwort geben wird. Es ist nur ein Bildnis aus
Erz, das ich nach meiner Erinnerung formte, und so sah der Mann
aus, der mir Schmiedezeug und Gut entwandte." Da wunderte sich
der König höchlich und sprach: „Ihn konntest du freilich nicht hier
finden; denn ich entsandte ihn in wichtigen Geschäften nach Schweden.
Du aber bist wahrlich ein fluger und kunstreicher Mann. Deine Habe
schaffe ich dir bald wieder und will die schlimmen Worte, die ich
wider dich sprach, sühnen." Als nun Regin heimkehrte, entbot ihn
der König zu sich und fragte ihn, ob er Wielands Habe genommen
hätte. Da gestand Regin es ein und sagte, er habe es nur zum
Scherz getan. Der König aber gebot ihm, alles herauszugeben, und
so erhielt Wieland sein Werkzeug und Gut zurück. Darauf stand
er wieder wie vorher an des Königs Tisch, diente ihm und trieb es
so, als ob er weiter nichts zu bedenken hätte, vier Wochen lang.
Den König Reiding wunderte es sehr, daß Wieland gar nicht
anfange zu schmieden, und er fragte ihn endlich, warum er so säumig
sei; er habe es mit einem geschickten und bösartigen Manne zu tun,
darum solle er sich nun schleunig ans Werk machen. Wieland er¬
widerte: „Sogleich will ich schmieden, wenn Ihr es wünschet," und
ging in seine Schmiede. Dort machte er ein Schwert binnen sieben
Tagen.
Am siebenten Tage, als er gerade fertig war, kam der König
selbst zu ihm und betrachtete das Schwert. Das mar so gut, daß er
nimmer ein schöneres und schärferes gesehen zu haben meinte. Da
führte Wieland den König an einen Fluß, nahm daselbst eine Woll-