Full text: [Teil 4 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 4 = Quarta, [Schülerband])

112 
VI. Sagen. 
ging der König hinweg und alles Volk mit ihm. Wieland aber deuchte 
es gar übel, das Seinige verloren und den Zorn des Königs auf sich 
gezogen zu haben. 
Einige Zeit darauf machte Wieland das Bild eines Mannes aus 
Erz; das sah ganz aus wie ein lebender Mensch, und als er das 
wundersame Werk vollendet hatte, da trug er es eines Abends in das 
Haus des Königs und stellte es in eine Ecke, die neben Neidings 
Kammer war. Hierauf ging er in die Halle und diente dem König 
wie die anderen Knappen. 
Nach der Mahlzeit stand der König mit seinen Mannen auf und 
wollte schlafen gehen. Wieland aber trug ihm die Kerze vor. lind 
ivie sie vor die Kammer kamen, da blickte der König zur rechten Hand 
und sprach zu dem Erzbild: „Sieh da, mein guter Freund Regin! 
Heil dir und willkommen! warum stehst du so allein hier draußen? 
wann kamst du? und wie hast du meine Botschaft ausgerichtet, mit 
der ich dich nach Schweden sandte?" Aber das Bild antwortete nicht; 
da sprach Wieland: „Herr König, dieser Mann ist so unhöflich, daß 
er Euch niemals Antwort geben wird. Es ist nur ein Bildnis aus 
Erz, das ich nach meiner Erinnerung formte, und so sah der Mann 
aus, der mir Schmiedezeug und Gut entwandte." Da wunderte sich 
der König höchlich und sprach: „Ihn konntest du freilich nicht hier 
finden; denn ich entsandte ihn in wichtigen Geschäften nach Schweden. 
Du aber bist wahrlich ein fluger und kunstreicher Mann. Deine Habe 
schaffe ich dir bald wieder und will die schlimmen Worte, die ich 
wider dich sprach, sühnen." Als nun Regin heimkehrte, entbot ihn 
der König zu sich und fragte ihn, ob er Wielands Habe genommen 
hätte. Da gestand Regin es ein und sagte, er habe es nur zum 
Scherz getan. Der König aber gebot ihm, alles herauszugeben, und 
so erhielt Wieland sein Werkzeug und Gut zurück. Darauf stand 
er wieder wie vorher an des Königs Tisch, diente ihm und trieb es 
so, als ob er weiter nichts zu bedenken hätte, vier Wochen lang. 
Den König Reiding wunderte es sehr, daß Wieland gar nicht 
anfange zu schmieden, und er fragte ihn endlich, warum er so säumig 
sei; er habe es mit einem geschickten und bösartigen Manne zu tun, 
darum solle er sich nun schleunig ans Werk machen. Wieland er¬ 
widerte: „Sogleich will ich schmieden, wenn Ihr es wünschet," und 
ging in seine Schmiede. Dort machte er ein Schwert binnen sieben 
Tagen. 
Am siebenten Tage, als er gerade fertig war, kam der König 
selbst zu ihm und betrachtete das Schwert. Das mar so gut, daß er 
nimmer ein schöneres und schärferes gesehen zu haben meinte. Da 
führte Wieland den König an einen Fluß, nahm daselbst eine Woll-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.