Full text: Deutscher Frühling (Band 6 = Klasse 4, [Schülerband])

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Bauern ein Schlummerlied, und auf den Feldern wiegen, zu Garben 
vereinigt, die Halme ihre schweren Häupter zum letztenmal im 
Scheine des Vollmonds. Wie ein riesiger Wegweiser ragt vor 
uns der gewaltige Turm der Calauer Pfarrkirche aus der allmäh¬ 
lich ansteigenden Ebene empor. Endlich ist es erreicht, das trau 
liehe, unter dem Zeichen St. Crispins wacker gedeihende Städtchen. 
Über das holperige Pflaster der engen Gassen, die murmelnden 
Brunnen, die alten, im Laubwerk der Weinreben fast begrabenen 
Fachwerkhäuschen und das ehrwürdige, vom Mondlicht märchen¬ 
haft umflossene Gotteshaus hat die Nacht einen Hauch von Poesie 
gebreitet, der dem Orte sonst fremd ist, und den „des Hauses 
redlicher Hüter“ durch mißtöniges Pfeifen an jeder Straßenecke 
zu verscheuchen nach Kräften bemüht ist. Noch lange, nachdem 
wir das Freie wiedergewonnen, verfolgt uns das schrille, die 
schöne, alte Sitte des Wächterrufs mehr und mehr verdrängende 
Signal, bis es von dem monotonen Schrei der Kiebitze in den 
moorigen Wiesengründen abgelöst wird. Langsam ist indessen 
der fahle Schein der Dämmerung, stetig wachsend, vom nörd¬ 
lichen zum nordöstlichen Horizonte gewandert; der Morgentau 
fällt, die volle Mondscheibe verblaßt zusehends, und nun schießt 
blendend der erste Lichtstrahl zum Plateau des Brautbergs hinüber 
und vergoldet die zahllosen Wipfel der Kiefernheide, durch welche 
die letzte Strecke unserer Wanderung führt. Die niedrigen, rohi> 
gedeckten Blockhäuschen in den Dörfern, die zwiebelkuppelig ge¬ 
wölbten Heuschober auf den Wiesen und die hier und da auf 
den Höfen am Brunnen erscheinenden malerischen Frauentrachten 
künden allsorbisches Volksgebiet an; und nicht lange, so schlagen 
auch wendische Laute an unser Ohr. Am südlichen Horizonte 
tauchen hohe Fabrikschlote auf, Schienen kreuzen den Weg, und 
vom Bahnhof Groß Bäschen ertönt der Pfiff der Lokomotive; wir 
sind am Ziel unseres Weges. 
Der erste Gang gilt der etwa 10 Minuten hinter Klein-Rüschen 
am Nordrande des riesigen Braunkohlenfeldes gelegenen Grube 
Marie Nord westfei d. Nach eingeholter und gern erteilter Er¬ 
laubnis folgen wir dem zum Transport des Abraums bestimmten 
Schienenwege und stehen bald am Rande eines gewaltigen Kessels, 
dessen Wände teils aus dunkler Kohle, teils aus losen Massen
	        
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