Full text: (Prosa) (Teil 7 - 9 in 1 Bande, [Schülerband])

des Schicksals und das Können des Menschen niemals Illusionen machte; 
für ihn war der holde Schleier gehoben, der dem Menschen die Un¬ 
zulänglichkeit seines Wirkens verdeckt. Wie klug er auch plante und alle 
Möglichkeiten bedachte, das Gefühl wich doch nie aus seiner Brust, daß 
in allen Dingen das Glück, das heißt der Zufall, das gute Beste tun 
müsse; und damit mag es denn auch zusammenhängen, daß er so oft 
dem Schicksal Paroli geboten und namentlich mit verwegner Gleich¬ 
gültigkeit seine Person wieder und wieder aus das Spiel gesetzt hat. 
Wie ja wohl überwiegend verständige Menschen in das reine Hasardspiel 
sich flüchten, so war auch in Cäsars Rationalismus ein Punkt, wo er 
mit dem Mystizismus gewissermaßen sich berührte. — 
Aus einer solchen Anlage konnte nur ein Staatsmann hervorgehen. 
Von früher Jugend an war denn auch Cäsar ein Staatsmann im tiefsten 
Sinn des Wortes und sein Ziel das höchste, das dem Menschen gestattet ist 
sich zu stecken: die politische, militärische, geistige und sittliche Wiedergeburt 
der tiefgesunkenen eignen und der noch tiefer gesunkenen mit der seinigen 
innig verschwisterten hellenischen Nation. Die harte Schule dreißigjähriger 
Erfahrungen änderte seine Ansichten über die Mittel, wie dies Ziel 
zu erreichen sei; das Ziel blieb ihm dasselbe in den Zeiten hoffnungs¬ 
loser Erniedrigung wie unbegrenzter Machtvollkommenheit, in den Zeilen, 
wo er als Demagog und Verschworner auf dunklen Wegen zu ihm hin¬ 
schlich, wie da er als Mitinhaber der höchsten Gewalt und sodann als 
Monarch vor den Augen einer Welt im vollen Sonnenschein an seinem 
Werk schuf. Alle zu den verschiedensten Zeiten von ihm ausgegangenen 
Maßregeln bleibender Art ordnen in den großen Bauplan zweckmäßig 
sich ein. Von einzelnen Leistungen Cäsars sollte darum eigentlich nicht 
geredet werden; er hat nichts Einzelnes geschaffen. Mit Recht rühmt 
man den Redner Cäsar wegen seiner aller Advokatenkunst spottenden 
männlichen Beredsamkeit, die wie die klare Flamme zugleich erleuchtete 
und erwärmte. Mit Recht bewundert man an dem Schriftsteller Cäsar 
die unnachahmliche Einfachheit der Komposition, die einzige Reinheit 
und Schönheit der Sprache. Mit Recht haben die größten Kriegsmeister 
aller Zeiten den Feldherrn Cäsar gepriesen, der wie kein andrer ungeirrt 
von Routine und Tradition immer diejenige Kriegführung zu finden 
wußte, durch die in dem gegebenen Fall der Feind besiegt wird und die 
also in dem gegebenen Fall die rechte ist; der mit divinatorischer Sicher¬ 
heit für jeden Zweck das rechte Mittel fand; der nach der Niederlage 
schlagfertig dastand wie Wilhelm von Oranien und mit dem Sieg ohne
	        
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