Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

die Rebenhügel, den Johannisberg bis zu beit blaudämmernden 
Felsen bei Heidelberg und den fernen Meliboeus. Zur linken 
Seite verliert sich der Rhein in die ewig dunkeln Schatten hoher 
waldgekrönter Felsen; hier ist alles erhaben und groß, wie dort an- 
5. muthig und heiter. Hatto's Thurm steht da, stets umtobt von der 
wilden Brandung, mitten in den Fluchen, ihm gegenüber sieht man 
die leichten Nachen, wie im Tanz, dem immer kreisenden Wirbel des 
Bingerloches vorüberschweben und sich bald darauf in dunkeln Fel¬ 
senklüften verlieren. Seitwärts dem wundersamen Mäusethurm strömt 
10. die Nahe aus ihrem romantischen Thal in den Rhein; eine schöne 
Brücke wölbt sich über sie hin. Gerade Bingen gegenüber streckt 
sich der hohe Rüdesheimer Berg lang aus; ihn krönt der Nieder¬ 
wald, durch dessen dunkles Laub die weißen Säulen eines Tempels 
hervorschimmern, und an seinem Abhange wächst der berühmte Rü- 
15. desheimer Wein. Nüdesheim mit seiner uralten Römerburg liegt 
am Fuße dieses Berges, dem Rheingau zu. Auf der andern Seite 
erheben sich in ziemlich beträchtlicher Höhe die pittoresken Trünimer 
der Burg Ehrenfels, und gegenüber hoch aus dem Binger Berge, 
von dessen Abhänge ich alles dieses überschaute, stehen die alten 
20. Mauern und Thürme des Schlosses Klopp, von denen man dieselbe 
Gegend noch ausgebreiteter vor sich liegen sieht. . . . 
Heute erlebten wir einen schönen Morgen in Bingen, und be¬ 
nutzten ihn sogleich, um den Niederwald zu besuchen. Eigentlich 
schifft man zu diesem Zweck nach Asmannshausen hinüber, ersteigt 
25. von dort den Berg, und geht ihn bei Rüdesheim wieder hinab. 
Unser Schiffer aber, der uns über den Rhein bringen und hernach 
als Führer dienen sollte, behauptete, einen leicht zu ersteigenden 
nähern Weg zu kennen, und da der Mann übrigens ganz vernünftig 
zu sein schien, so überließen wir uns seiner Führung. 
30. Wir landeten also weit näher, unterhalb der Burg Ehrensels, 
und begannen nun von da die Terrassen zu erklimmen. Diese um- 
geben den sehr steilen Berg im Zickzack, und auf ihnen wächst der 
berühmte Rüdesheimer Wein. Sehr ermüdend war es, daß wir 
immer eine lange Strecke längs den die Terrassen stützenden Mauern 
35. hin und her zu gehen hatten, ehe wir zu einem der hohen, stufen¬ 
artigen Einschnitte in diesen gelangten, aus welchen wir uns etwa 
zwei Ellen höher schwangen und dann bis zum nächsten Einschnitt 
wieder weiter wanderten. Glücklicher Weise ist die Anhöhe bis zur 
Burg Ehrensels nicht sehr beträchtlich, und so war dieß bald über- 
40. standen. Der nähere Anblick der höchst malerischen Ruine, die wir 
täglich aus unsern Fenstern vor Augen gehabt hatten, und die wun¬ 
derschöne Aussicht, ließ uns alle Ermüdung vergessen. Wir blickten 
dort tief in das wilde Felsenthal, durch welches sich der Rhein hinter 
dem Bingerloch windet; auch Asmannshausen sahen wir zwischen 
45. seinen Rebenhügeln, woran uns in Bingen der weit vortretende Berg 
hinderte. Nun aber mußten wir weiter, und zwar auf einem Wege, 
den ich niemanden in der Welt, als höchstens einem Gemsenjäger 
empfehlen möchte. 
Tief unter uns brauste der durch einen plötzlich sich erhebendeil
	        
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