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Zu schadenfrohem Frevelmuth.
Der Graf verschmäht des Rechten
Warnen
Und läßt vom Linken sich umgarnen.
„Verwegner Hund, der du mir
wehrst!
Ha, daß du deiner besten Kuh
Selbst um- und angewachsen wär'st,
Und jede Vettel noch dazu!
So sollt' es baß mein Herz ergötzen,
Euch stracks in's Himmelreich' zu
hetzen.
Halloh, Gesellen, drauf und dran!
Jo! Doho! Hussasasa!"
Und jeder Hund fiel wüthend an,
Was er zunächst vor sich ersah.
Bluttriefend sank der Hirt zur Erde,
Bluttriefend Stück für .Stück die
Heerde.
Dem Mordgewühl entrafft sich kaum
Das Wild mit immer schwächerm Lauf,
Mit Blut besprengt, bedeckt mit
Schaum,
Nimmt jetzt des Waldes Nacht es auf.
Tief birgt sich's in des Waldes Mitte
In eines Klausners Gotteshütte.
Rasch ohne Rast mit Peitschenknall,
Mit Horridoh und Hussasa,
Und Kliff und Klaff und Hörnerschall,
Verfolges der wilde Schwarm auch da.
Entgegen tritt mit sanfter Bitte
Der fromme Klausner vor die Hütte.
„Laß ab, laß ab von dieser Spur!
Entweihe Gottes Freistatt nicht!
Zum Himmel ächzt die Kreatur
Und heischt von Gott dein Strafgericht.
Zum letzteumale laß dich warnen,
Sonst wird Verderben dich umgarnen!"
Der Rechte sprengt besorgt heran
Und warnt den Grafen sanft und gut,
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmuth.
Und wehe! trotz des Rechten Warnen
Läßt er vom Linken sich umgarnen!
„Verderben hin, Verderben her!
Das," ruft er, „macht mir wenig
Graus.
Und wenn's im dritten Himmel wär',
So acht' ich's keine Fledermaus.
Mag's Gott und dich, du Narr, ver¬
drießen.
So will ich meine Lust doch büßen."
Er schwingt die Peitsche, stößt in's
Horn,
„Halloh, Gesellen, drauf und dran!"
Hui, schwinden Mann und Hütte vorn.
Und hinten schwinden Roß und Mann,
Und Knall und Schall und Jagd-
gebrülle
Verschlingt auf einmal Todteustille.
Erschrocken blickt der Graf umher;
Er stößt in's Horn, es tönet nicht;
Er ruft und hört sich selbst nicht
mehr;
Der Schwung der Peitsche sauset nicht;
Er spornt sein Roß in beide Seiten
Und kann nicht vor- noch rückwärts
reiten.
Drauf wird es düster um ihn her
Und immer düstrer, wie ein Grab.
Dumpf rauscht es, wie ein fernes
Meer.
Hoch über seinem Haupt herab
Ruft furchtbar, mit Gewittergrimme
Dies Urtheil eine Donnerstimme:
„Du Wüthrich, teuflischer Natur,
Frech gegen Gott und Mensch und
Thier,
Das Ach und Weh der Kreatur
Und Deine Missethat an ihr
Hat laut dich vor Gericht gefodert,
Wo hoch der Rache Fackel lodert.
Fleuch, Unhold, fleuch und werde jetzt
Von nun an bis in Ewigkeit
Von Höll' und Teufel selbst gehetzt!
Zum Schreck der Fürsten jeder Zeit,
Die, um verruchter Lust zu frohiien,
Nicht Schöpfer, noch Geschöpf ver¬
schonen!" —
Ein schwefelgelber Wetterschein
Umzieht hierauf des Waldes Laub.
Angst rieselt ihm durch Mark und
Bein,
Ihm wird so schwül, so dumpf und
taub;
Entgegen weht ihm kaltes Grausen,
Dem Nacken folgt Gewittersausen.
Das Grausen weht, das Wetter
saus't,
Und aus der Erd' empor, huhu!
Fährt eine schwarze Riesensaust;
Sie spannt sich auf, sie krallt sich zu!
Hui! will sie ihn beim Wirbel packen,
Hui! steht sein Angesicht im Nacken.
Es stimmt und flammt rund um
ihn her
Mit grüner, blauer, rother Gluth;
Es wallt um ihn ein Feuermeer,
Darinnen wimmelt Höllenbrut.
Jach fahren tausend Höllenhunde,
Laut angehetzt, empor zum Schlunde.