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ihrer edlen Jungfrauen zurückzieht. Aber inmitten dieser Herr¬
lichkeit wohnt das tiefe Leid: in Pelzwerk gehüllt sitzt traurig
und an schweren Wunden siech der König auf seinem Ruhebette,
und als eine bluttriefende Lanze von einem Knappen durch den
Saal getragen wird, bricht allgemeines Wehklagen aus. Parzival
sitzt neben dem König und sieht durch die geöffnete Tür auf
einem Spannbette einen schneeweißen Greis im Nebenzimmer
ruhen: er ist in der Burg des Grals angekommen; aber er
weiß nicht, fragt auch nicht, daß er an der Stätte des höchsten
Heils und des tiefsten Leids, welches er allein wenden kann,
verweilt; er sieht nicht und fragt auch nicht, daß der Gral vor
ihm steht, daß der schneeweiße Greis im Nebenzimmer sein eigener
Urgroßvater, der alte Gralkönig Titurel, daß der sieche König
sein Oheim, Anfortas, und die jungfräuliche Königin seiner Mutter
Schwester ist; er fragt nicht, obgleich der König ihn mit einem
Schwert beschenkt und dabei seiner Verwundung erwähnt. In
köstlicher Pracht wird die Abendbewirtung vollbracht, in ebenso
köstlicher Pracht die Ruhestätte für Parzival eingerichtet. Aber
am andern Morgen findet Parzival Kleider und Schwert vor
seinem Bette liegen, sein Roß gesattelt und angebunden, und
tiefe menschenleere Ode herrscht in den weiten Sälen und Höfen
der wunderbaren Burg. Parzival reitet von dannen, und als er
das Tor im Rücken hat, höhnt ihn ein Knappe von der Burg
aus, daß er unbesonnenerweise nicht gefragt habe. Unmittelbar
darauf findet er eine Jungfrau, die den Leichnam ihres er¬
schlagenen Geliebten klagend im Arme hält, und die ihm schon
einmal auf seinen Zügen aufgestoßen ist: es ist gleichfalls eine
unerkannte Verwandtin und seine eigene Pflegeschwester, Sigune,
Tschionatulanders Braut; von ihr erfährt er noch genauer, wie
schwer er gefehlt, daß er nicht nach dem Heile, das ihm so nahe
war, das ihm, ohne daß er es wußte und wollte, entgegen¬
getragen worden, gefragt habe; sie flucht ihm, daß er das Leid
über Anfortas gelassen, und will nichts wieder von ihm hören.
In tiefem Sinnen reitet Parzival von dannen, und immer
tiefer versinkt er in sich selbst, bis er zuletzt bei dem Anschauen
dreier Blutstropfen, die im Schnee vor ihm ausgegossen sind,
sich völlig verliert in träumerisches Sinnen und süßes Andenken
an die süße, verlassene Gattin Konduiramur. Er denkt ihrer